Letzte Ehre
letzte Mahlzeit gekocht hatte. Bucky ging zu einem der Fenster hinüber und schob es auf. Die Luft schien sich nicht zu regen. Den knarrenden, unebenen Fußboden bedeckte eine uralte Schicht rissigen Linoleums. Die Wände waren mit einem Muster aus winzigen blauen Kornblumen auf cremefarbenem Hintergrund tapeziert, wobei die Tapete so alt war, daß sie an den Rändern wie angesengt aussah. Die Fenster, zwei an der vorderen Wand und zwei an der hinteren, hatten vergilbte Jalousien, die gegen das flache Novemberlicht halb heruntergezogen waren.
Im großen Zimmer befand sich ein Einzelbett mit weißgestrichenem Eisengestell. Eine hölzerne Kommode stand dicht vor der hinteren Wand, während eine alte Gartenmöbelgarnitur aus Korbgeflecht als Sitzgruppe diente. Ein kleiner hölzerner Schreibtisch mit passendem Stuhl war in einer Ecke untergebracht. Auf dem Fußboden standen kreuz und quer zehn bis zwölf Pappkartons in verschiedensten Größen. Manche der Kartons waren vollgepackt und beiseite gestellt worden, ihre Verschlußlaschen ineinandergesteckt, um den Inhalt zu sichern. Zwei Bretter des Bücherregals waren ausgeräumt worden, und die Hälfte der übrigen Bücher war umgekippt.
Ich suchte mir durch den Irrgarten aus Kisten einen Weg in den zweiten Raum, in dem sich ein Herd und ein kleiner Kühlschrank befanden, während auf der Arbeitsfläche dazwischen ein kleiner Mikrowellenherd stand. Eine Spüle war in ein dunkel gebeiztes Holzschränkchen mit billig wirkenden Scharnieren und Griffen eingelassen worden. Die Türen des Schränkchens sahen aus, als würden sie festkleben, wenn man versuchte, sie zu öffnen. Hinter der Küche schloß sich ein kleines Badezimmer mit Waschbecken, Toilette und einer kleinen Badewanne mit Klauenfüßen an. Sämtliche Porzellanteile waren mit Flecken übersät. Plötzlich sah ich mich selbst im Spiegel über dem Waschbecken und stellte fest, daß sich meine Mundwinkel vor Ekel nach unten verzogen hatten. Bucky hatte das Apartment als hübsch bezeichnet, aber ich würde mich lieber erschießen, als in einem solchen Loch zu enden.
Ich blickte aus einem der Fenster. Buckys Frau Babe stand an der Hintertür am anderen Ende des Wegs. Sie hatte ein rundes Gesicht mit großen braunen Augen und eine Stupsnase. Ihr Haar war dunkel und glatt und unkleidsam hinter die Ohren geklemmt. Sie trug Gummilatschen, enge schwarze Radlerhosen und ein schwarzes, ärmelloses Baumwolltop, das sich über ihrem Hängebusen spannte. Ihre Oberarme waren drall, und ihre Schenkel sahen aus, als würden sie beim Gehen aneinanderscheuern. Alles an ihr sah unangenehm feucht aus. »Ich glaube, Ihre Frau ruft nach Ihnen.«
Babes Stimme drang zu uns herauf. »Bucky?«
Er ging zum Treppenabsatz. »Komme sofort«, brüllte er zu ihr hinunter und sagte dann in gemessenerem Tonfall zu mir: »Ist es Ihnen recht, wenn ich Sie hier einfach allein lasse?« Ich sah ihm zu, wie er den Wohnungsschlüssel von seinem Schlüsselbund drehte.
»Ist mir recht. Es hört sich wirklich danach an, als hätten Sie getan, was Sie konnten.«
»Das dachte ich auch. Mein Dad ist derjenige, den es wirklich gepackt hat. Er heißt übrigens Chester, für den Fall, daß er vor uns zurückkommt.« Er reichte mir den Schlüssel. »Sperren Sie ab, wenn Sie fertig sind, und werfen Sie den Schlüssel durch den Briefschlitz in der Vordertür. Wenn Sie irgend etwas finden, das wichtig sein könnte, lassen Sie es uns wissen. Wir sind gegen ein Uhr wieder da. Haben Sie eine Visitenkarte?«
»Klar.« Ich nahm eine Karte aus meiner Tasche und reichte sie ihm.
Er steckte die Karte ein. »Alles klar.«
Ich hörte, wie er draußen die Treppe hinunterpolterte. Ich stand da und fragte mich, wie lange ich anstandshalber warten mußte, bevor ich abschloß und ging. Ich spürte, wie sich mein Magen mit der gleichen seltsamen Spannung aus Angst und Aufregung verkrampfte, wie wenn ich illegal in eine fremde Wohnung eindringe. Meine Anwesenheit hier war legal, aber ich hatte das Gefühl, als würde ich irgendwie eine unerlaubte Handlung begehen. Unten hörte ich Babe und Bucky plaudern, als sie das Haus absperrten und unter mir die Garagentür aufmachten. Ich ging ans Fenster, spähte hinunter und sah zu, wie der Wagen herauskam, dem Anschein nach direkt unter meinen Füßen. Das Auto sah aus wie ein Buick, Baujahr 1955 oder so, grün, mit einem großen, verchromten Kühlergrill. Bucky blickte über seine Schulter nach hinten, als er rückwärts die Einfahrt
Weitere Kostenlose Bücher