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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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so dunkel. Ich falle sofort ins Bett, Mathilde trinkt noch ein Selbstgebrautes mit den Wirtsleuten, ich schnarche schon im Rhythmus der anderen Wanderer. Am Morgen holt mich Mathilde aus dem Bett, wir waschen uns draußen unter der Brunnenpumpe. Das kalte Wasser tut uns gut. Obwohl es immer noch dunkel ist, sind wir mit einem halben Dutzend Lunchpaketen schon auf dem Weg zur Großen Klammspitz , die Mathilde unbedingt bezwingen will. Weiß der Teufel, wieso, der weiß es! Obwohl, es gibt ja gar keinen Teufel, es gibt ja nur Gott, wenn er betrunken ist. – Und an diesem Morgen war Gott betrunken! – Kaum haben wir die Hütte hinter uns, sind gerade in einem Tal angekommen, da stehen wir auch schon vor einer Felswand! Ich frage: ›Spinnst du?‹ Mathilde schüttelt den Kopf und fängt an zu klettern! Wir sollen klettern! Eine Wand, so steil wie die Außenhaut unseres Schiffes! Von Einkerbung zu Einkerbung und mit jedem Schritt an diesem Kalkfelsen werden die Grasbüschel und das Gestrüpp weniger. Schließlich nur noch Stein und Fels. Noch etwa zehn Meter, da bleiben wir plötzlich auf den Steinchen stehen, die schnell ins Rutschen kommen. Ich schiebe mich an Mathilde vorbei, weil mir die Sache zu gefährlich wird. Ich will mich auf diesen verdammten Kamm setzen und meinem Tod sagen, er solle sich ein anderes Hobby suchen, wenn ihm die Skatspiele zu langweilig werden. – Doch Mathilde ist immer noch an der gleichen Stelle und reagiert nicht mehr auf meine Rufe. Ich bin oben, lege mich auf den Bauch, strecke den Arm aus, sie braucht nur zuzufassen, so dicht ist sie, aber sie tut es nicht. Sie dreht sich um, in diesem Augenblick steigt die Sonne über einen anderen Kamm, noch ganz rot vom gestrigen Saufen mit Gott, und Mathilde nimmt die Hände vom Berg! Mit den Sohlen rutscht sie, erst ein paar Zentimeter, dann Meter! Sie hält sich nicht fest, ihr Körper kommt ins Rollen, sie überschlägt sich, ihre ganzen schönen Lunchpakete gehen über Bord! Mathilde rollt runter, das begreife ich jetzt erst. Ich sehe ihrem Rollen zu, keine Anstalten, sich festzuhalten, ich schwöre es, keine Anstalten! – Schließlich knallt sie nach fünfzig Metern auf einen Felsvorsprung, zum Glück, macht noch ein paar Umdrehungen, bleibt aber auf dem Vorsprung liegen, zum Glück! Auf dem Rücken, Arme ausgebreitet, Gesicht in den Himmel, aufgeplatzte Tomaten um sie herum, und ich höre ihren Tod feixen! Lawinenlachen, Kapitän, du weißt, was ich meine. – Mir wird sowas von schwindlig! Ich kann mich nicht mehr bewegen, da auf diesem Grat. Ich starre nach unten, und alles dreht sich mir vor Augen. Keine Bewegung, keine von mir, keine von Mathilde. Ich rufe, Mathilde macht gar nichts. Ich brülle sie an, ich mache sie richtig fertig mit Worten, ohne dass sie sich bewegt, als von der anderen Bergseite einheimische Kletterer kommen und fragen, was los sei. Ich deute nach unten. Der eine kümmert sich um mich, meint, ich habe Bergkoller, Höhenangst. Er hilft mir, Schritt für Schritt runter von dieser verdammten Klammspitz , auf der ein Seemann nichts zu suchen hat, und die anderen beiden Männer kümmern sich um Mathilde. Sie bringen sie dazu, sich hinzusetzen. Sie legen die aufgeplatzten Tomaten ordentlich auf einen Haufen und setzen sich neben meine Frau. Sie sehen mir und meinem Helfer zu, und als wir endlich auch auf dem Felsvorsprung stehen, da hänge ich in den Armen dieses Fremden und frage Mathilde wieder: ›Spinnst du?‹ Ich frage sie, ob das geplant gewesen sei, ob das von Anfang an so geplant gewesen sei, aber zum Glück antwortet Mathilde mir nicht. Sie sieht mich mit großen Augen an und sagt: ›Es ist doch Mai.‹ – Es sei doch Mai, und diesen Monat habe sie immer geliebt, immer, bis zu jenem Mai, in dem sie von hier weg auf die Insel Rügen gekommen sei, und da weiß ich, was los ist mit ihr. Und ich nicke, höre mit dem blöden Gemecker auf, ich setze mich neben sie, nehme sie in den Arm, und leise wippen wir hin und her. – Ich verstand sie, und ich begriff, dass ich vor diesem verfluchten Mai nie wieder Ruhe haben werde. Nie wieder, egal, wo ich gerade sein werde. – Eintausendneunhundertvierundzwanzig Meter über dem Meeresspiegel, da ist die Große Klammspitz , Kapitän«, endete Robert Rösch und sah den Kommandanten an, der nicht zu fragen wagte, was Roberts Frau auf Rügen passiert sei. Er goss erneut nach und sah auf die Wanduhr. Eine ganze Stunde war vergangen! Eine ganze Stunde! Der Kommandant schüttelte

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