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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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hin.
     
    Wie lange er sich schon in den Staaten befinde und wie lange er in den Staaten zu bleiben gedenke, wurde Alexander gefragt. Daß es ihm in Amerika gut gefällt, sagte er immer wieder. Auch mit dem Rektor wechselte er ein paar Worte. Physiker? Der mußte doch wissen, wie man eine Wasserpumpe repariert. Alexander erzählte ihm, daß immerfort der Keller volläuft in seinem Haus, die Frau sei schon am Ende ihrer Kräfte, stürze da womöglich eines Tages das Gebäude ein? Das Mauerwerk zermürbt? Die Pumpe schaffe es nicht mehr, die sei dauernd kaputt.«Don’t you have plumbers in Germany?»fragte der Wissenschaftler, und damit war das Gespräch beendet.
     
    Das Gespräch wurde laut und immer lauter, im Nebenzimmer übte der Sohn des Gastgebers nämlich auf einem Schlagzeug Rhythmen ein, dem mußte man notgedrungen«lauschen». Das ist wohl nicht das richtige Wort. Wie die Zirkusmusik, wenn dem Jongleur was hinfällt, so hörte sich das an.
     
    Alexander stand auf und stieß versuchsweise die Tür zu dem Nebenzimmer auf, in dem die Trommel gerührt wurde. Er gesellte sich zu dem Drummerboy. Der fettwüchsige Junge schien mit der Reihe der verschiedenen Apparate nicht klarzukommen. Die Batterie war neu, die Preisschilder hingen noch dran: unterschiedlich große Becken, eine mit Kunstfell bespannte Trommel - so richtig hatte der Junge den Bogen noch nicht raus, haute hier mal drauf und da, und die Fußmaschine an der großen Trommel mußte noch eingestellt werden, da paßte irgend etwas nicht, die war ein anderes Fabrikat.
    Sowtschick sagte:«Laß mich mal», und vollführte einen Spezialrhythmus auf den unterschiedlich gestimmten Trommeln, was ihm, wie er fand, nicht schlecht gelang. Der Bursche aber stand auf und ging in den Garten hinaus, wo eine Basketballvorrichtung angebracht war, und begann den Ball in den Korb zu zielen, den er allerdings auch nicht so recht traf.
    Ob er aus Schweden sei, fragte der dicke Junge, Alexander spräche so komisch. Stamme er aus Schweden?
    Nein, sagte Alexander, aus Germany, und warf den Ball in den Korb, und er traf ohne weiteres. Da schnappte sich der junge Mensch den Ball und ging, etwas Unverständliches murmelnd, in den Keller, der gewiß knochentrocken war, ging die Stufen hinunter und schlug die Eisentür hinter sich zu.
     
    Als Sowtschick zu der Gesellschaft zurückkehrte, hatten sich die Leute inzwischen verdrückt. Der Rektor räumte die Gläser in die Küche, ein Militärhistoriker namens Smith half ihm dabei. Warum die Österreicher bei Königgrätz von den Preußen geschlagen werden konnten, das beschäftigte den Mann. Hier konnte ihm Alexander allerdings keine genauere Auskunft geben. Moltke fiel ihm ein, der sich zu bestimmter Stunde seelenruhig eine Zigarre angesteckt habe. - Diese Anekdote kannte Smith natürlich, er hatte sie an seine Studenten schon diverse Male weitergegeben. Getrennt marschieren, vereint schlagen, das war der ganze Witz gewesen. Und in Ruhe abwarten, wenn sich die Dinge günstig entwickeln. Man kriegt es mit, wenn sich die Waagschale des Glücks einem zuneigt.
    Die deutschen Einigungskriege. Und: die kleindeutsche Lösung.
     
    Alexander ärgerte sich, daß er in dem Buch von 70/71 nur eben ein bißchen herumgeblättert hatte. Da hätte er jetzt mit Spezialwissen aufwarten können. Die Erfindung des Zündnadelgewehrs und ähnliches? Und auf der andern Seite die Mitrailleusen? Das war doch eigentlich sehr interessant. Die Technik hatte den Ausschlag gegeben in diesem Krieg. In Vietnam war das nicht der Fall gewesen, den Wald entlauben und all solche Sachen. Das hatte alles nichts genützt.
     
    Nachdem sie sich eine Weile über 70/71 unterhalten hatten, zeigte Smith Sowtschick ein Foto von Erwin Rommel und eine Landkarte, auf der die Panzerkeile eingetragen waren, mit denen die deutschen Armeen 1940 Frankreich zerschnitten hatten und dann geteilt das Land.
    Dann zeigte Smith auf der Karte, wie man mit ein paar Schnitten der DDR den Garaus machen könnte, beherzt zur Tat schreiten. Ehe die Leute aufwachen, ist schon alles erledigt! - Ob Smith diese Theorien dem Herrn Schätzing auch unterbreitet hatte? Bomberpiloten aus dem Zweiten Weltkrieg, nach denen Sowtschick fragte, kannte Smith nicht, aber es würden sich gewiß welche auftreiben lassen …
     
    Am Nachmittag holte ihn die sehnige Frau des Rektors in einem Jeep zu einer kleinen Tour ab. Sie hätte da was, das ihn gewiß interessiere. Im Gebirge gebe es noch eine One Room School,

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