Letzte Nacht
Vorgesetzter – wird er selbst sein. Am Montag werden die Verbliebenen im Olive Garden in Bristol anfangen, eine zusätzliche Viertelstunde Fahrzeit, aber besser als das, was Jacquie und die Übrigen erwartet. In den letzten paar Wochen hat er an den Empfehlungsschreiben gesessen und versucht, sich etwas Nettes einfallen zu lassen – in manchen Fällen nicht schwer, in anderen fast unmöglich.
Jacquie könnte er immer noch mitnehmen, wenn sie zu ihm käme und ihn darum bäte. Eigentlich stimmt das nicht, aber es ist eine Lüge, an die er gern glauben würde, weshalb er es sich immer wieder einredet. Vielleicht hat es vor ein paar Monaten noch gestimmt, aber jetzt tut es das nicht mehr. Jacquie hat selbst gesagt, es wäre besser so, und er hat ihr zugestimmt – wenn auch nur aus praktischen Erwägungen. Nach dem heutigen Abend wird er sie nie mehr wiedersehen. Das müsste eine Erleichterung sein. Ein Schlussstrich. Doch warum malt er sich dann aus, dass er sie nach Feierabend anfleht, mit ihm mitzukommen, oder braucht er bloß ihre Vergebung?
Er bläst ein letztes Mal Rauch in die Luft und klopft die Pfeife im Aschenbecher aus, verstaut sie dann neben sich in der Konsole, öffnet das Fenster einen Spaltbreit, schnippt eine Zigarette aus der Packung, zündet sie sich an und pustet einen sich kräuselnden Rauchschleier über das Dope. Er schließt die Augen, als wollte er schlafen, und schiebt den Ärmel seiner Jacke zurück, um auf die Armbanduhr zu schauen. «Okay», murmelt er, als würde ihn jemand antreiben, öffnet dann langsam die Tür und schwingt sich nach draußen, die Zigarette zwischen die Zähne geklemmt. Obwohl niemand da ist, macht er sich die Mühe, den Wagen abzuschließen.
Kein Lüftchen regt sich, nur die sich überlappenden Verkehrsgeräusche von der anderen Seite des hübschen, in Habachtstellung stehenden Kiefernspaliers und die Schneeflocken, die sanft auf den rissigen Asphalt fallen, empfangen ihn. Als er den Parkplatz überquert, fliegt eine Krähe auf von der Laderampe, wie ein schlechtes Omen. Er hält mitten im Schritt inne und beobachtet, wie sie zu den Kiefern gleitet, geht dann weiter, fächert die Schlüssel am Bund auf, ordnet sie bedächtig, die Zigarette im Mundwinkel wie ein Klugscheißer in einem Film. Als er den Richtigen gefunden hat, zieht er ein letztes Mal an der Zigarette und wirft den Stummel in einen großen schwarzen Plastikaschenbecher neben der Hintertür, der wie ein Butterfass geformt ist (und sieht auf dem Boden mehrere Zigarettenstummel vom vorigen Abend liegen, um die er sich später kümmern muss).
Drinnen ist es dunkel wie in einem Bergwerk. Er schiebt einen Gummikeil unter die Tür, damit sie offen bleibt, knipst das Licht an und wartet, während an der Küchendecke eine Neonleuchte nach der anderen aufflackert. Die Edelstahltische glänzen wie Spiegel. Die backsteinroten Fliesen, die Eddie und Leron gestern Nacht vor Feierabend gewischt haben, sind blitzsauber. Eddie kommt mit in den Olive Garden; wenigstens den kleinen Kerl kann Manny mitnehmen. Leron findet jederzeit einen anderen Job – außerdem trinkt Leron und hat Probleme mit dem Wagen, während Eddie vom Easy StreetKleinbus bei Wind und Wetter immer pünktlich vorbeigebracht und wieder abgeholt wird. Und obwohl Manny es nie zugeben würde, weil sie Freunde sind, lässt sich Eddie, der stets einen guten Eindruck machen will, viel leichter herumkommandieren.
Er geht die Kochzeile entlang und lässt die Hand wie ein Zauberer über die Fritteusen und den Grill gleiten, um sich zu vergewissern, ob alles ausgeschaltet ist. Die Eismaschine läuft und ist voll – gut. Er geht zur Stechuhr und stempelt die Karte ab, hängt dann seine Jacke auf, kontrolliert, ob der Safe verschlossen ist, und schiebt sich durch die Schwingtür in den Speiseraum.
Dort ist es dämmerig, graue Lichtstrahlen sickern durch die Jalousien und fallen auf eine glänzende Tischplatte, eine Messingstange, die Segel eines Modellschiffs.
An der großen Servicetheke leuchtet ein Kassenmonitor, ein königsblaues Viereck. Bei den Schaltern zögert er, weiß das Halbdunkel zu schätzen. An der Bar funkeln die in den Regalen aufgereihten Flaschen, und aus dem vorderen Teil des Gebäudes dringen das Summen des Filters und das Wasserfoltergetröpfel des Aquariums herü ber. Wenn ich nicht aufmache, denkt er, können sie auch nicht schließen. Das ist ein Kindertraum. Egal, was heute passiert, morgen ist das Restaurant so zu wie das Perkins
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