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Letzte Nacht

Letzte Nacht

Titel: Letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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ein Stück die Straße runter (und trotzdem wird er für ein paar Stunden in Uniform aufkreuzen und an die enttäuschten Mittagsgäste Geschenkgutscheine verteilen müssen, als wäre das alles seine Schuld). In den letzten beiden Monaten hat er den Lagerbestand beträchtlich verringert, sodass sie kaum noch Frisches dahaben. Der Konzern wird prüfen, was noch zu gebrauchen ist, und es nach Newington schicken – die Kriegsbeute. Alles Übrige, wie der glasäugige Schwertfisch, wird abtransportiert. Wahrscheinlich wird alles leergeräumt und das Gefilde den Mäusen und Silberfischen überlassen, die er so lange bekämpft hat, ohne dass es einen eindeutigen Sieger gab.
    Warum nicht einfach alles abbrennen? Der Nächste, der herkommt, will sowieso neu bauen.
    Er knipst das Licht im Hauptraum und dann in der Bar an. Draußen auf dem Gehweg liegt die Zeitung, die Nachrichten bereits veraltet. Er holt sie rein, breitet sie für Kendra flach auf dem Empfangspult aus und streift sich das Gummiband übers Handgelenk wie ein modisches Sportarmband – eine Gewohnheit aus Kindertagen, als er frühmorgens mit seinem Vater und später dann allein den Herald austrug. Vielleicht sind weder das Restaurant noch die Angestellten zu retten, doch für ein Gummiband findet man immer eine Verwendung.
    Er lässt die Jalousien unten und zieht sich in die Kü che zurück, heizt die große Kaffeemaschine auf, das zischende Herz des Hauses, lauscht ihrem Gluckern und gibt am Safe die Kombination ein. Die Kunstledermappe liegt mitten drin, der Reißverschluss zeigt nach hinten und ist zugezogen, alles genauso wie er es gestern Abend zurückgelassen hat. Aus Gewohnheit blickt er über beide Schultern, bevor er den Schlüssel rausholt. Er ist nie in Versuchung geraten, aber heute scheint das Geld nicht mehr ihm zu gehören. Auch wenn es ihm niemand ver übeln könnte, kann er sich nicht vorstellen, in den Regal zu steigen und in Richtung Bridgeport und Deena zu verschwinden. Und außerdem soll es schneien, vom Meer wirbelt ein Nordostwind herüber, bis Mitternacht sollen es acht bis fünfzehn Zentimeter werden. Er malt sich aus, wie er mit all den Lastwagen auf der 95 feststeckt, wie der Staatspolizist mit seiner einem Schlagstock verdammt ähnlichen Taschenlampe zum Fenster reinleuchtet und seinen Namen nennt. Es ist bloß grüne Tinte auf Papier, die Ehre eines Mannes nicht wert, würde seine Oma sagen, aber weil er nie Geld besessen hat, denkt er unwillkürlich, dass es bei der ganzen Sache um nichts anderes als darum geht.
    Das Problem ist, dass es keine Vorwarnung gab. Ihre Einnahmen waren okay, nicht toll, aber besser als letztes Jahr – trotz der ganzen Bauarbeiten auf der 9 im Sommer.
    Man hat ihnen nicht mal die Zahlen vom Herbst mitgeteilt. Das Letzte, was er von der Zentrale erhalten hat, war Tys Anstecknadel zum Zehnjährigen, und dann BUMM, wie ein altes, baufälliges Gebäude, das auf einen Schlag einstürzt, als war’ s ganz aus Sand.
    Wie an jedem anderen Tag zählt er die Scheine zweimal nach, verschließt dann die Geldmappe und den Safe wieder, füllt die Schublade der Kasse hinter der Bar und lässt die Niederhaltebügel mit ihren Sprungfedern wie Mausefallen zuschnappen. Als er fertig ist, wäscht er sich wie ein Chirurg die Hände, schrubbt zwischen den Fingern und singt in Gedanken «Happy Birthday». Seit einer Salmonellenvergiftung in Tennessee hat die Zentrale auf eine größere Sorgfalt bei der Lebensmittelhygiene gedrängt, und Manny hat wie bei allen Anordnungen des Konzerns sein Bestes getan, um mit gutem Beispiel voranzugehen. Er hat Graffiti übertüncht, die cholesterinfreundliche Speisekarte empfohlen und seinen Leuten beigebracht, dass jede Kleinigkeit zählt, wenn man seinen Gästen ein tolles Esserlebnis bereiten will. Er hat alles getan, was man verlangt hat, und doch muss da noch etwas anderes gewesen sein, etwas, das ihm entgangen ist.
    Mit dem neuen tragbaren Sensor kontrolliert er die Temperatur in der Kühlvitrine, im Kühlraum und im Gefrierschrank und speichert im Gehen die Zahlen in dem pistolenförmigen Gerät – ein Nachtwächter, der mit seinem Schlüssel für die Zeitschlösser seine Runden macht.
    Manny geht die Checkliste mit den Vorbereitungen durch, hakt seine Aufgaben der Reihe nach ab und wärmt die Suppen in den beiden Kochkesseln auf. Bei dem Schnee kommt die Fischsuppe bei den Leuten, die den ganzen Morgen im Einkaufszentrum verbringen, bestimmt gut an, die Gumbosuppe eher nicht. Da

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