Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
Mensch; na, was sagst du zu dem Vorschlag?“
Michaela stand im Geiste noch unter dem Eindruck von Herrn Jansen, den er als Bösewicht Franz Moor auf sie hinterlassen hatte, und so sagte sie nachdenklich: „Ich weiß nicht. Wenn du meinst... An sich hätte ich nichts dagegen, wenn er wirklich in Ordnung ist...“ Sie machte ein bedenkliches Gesicht und ihre Freundin lachen.
„Kleins Dummerchen, saudumm´s! Glaubst wohl, weil er auf der Bühne eine so unsympathische Rolle gespielt hat, ist er auch im richtigen Leben so ein Filou?“ Michaela musste verlegen lächeln und hob die Achseln. „Nein, im Ernst, Ela: Der ist prima, wir haben uns lange mit ihm unterhalten. Er hat sehr vernünftige, humanistische Ansichten. Außerdem hat er scheint´s viel durchmachen müssen; es war auch nicht leicht für ihn, sich mit seiner Gehbehinderung durchzuschlagen.“
„Davon weiß ich ja gar nichts“, rief Michaela betroffen und richtete sich halb auf. Sogleich fühlte sich ihr weiblicher Instinkt angesprochen, und sie wollte Näheres wissen, davon Janine ihr auch bereitwillig soviel erzählte, wie sie von ihm selbst erfahren hatte.
„Der wird dir bestimmt keine Scherereien machen, der geht ganz in seiner Arbeit auf und hat auch schon erwähnt, dass du ihn kaum zu Gesicht bekommst, wenn er hier erst mal seine Bleibe gefunden hat. Michaela nickte versonnen.
Nachdem Janine gegangen war, lag Michaela eine Weile unbeweglich im Halbdämmer auf dem Rücken und starrte zur Decke. Sie dachte an den Klinikaufenthalt, an die unvermutet auftretenden Blutungen, die ihr die Gewissheit gebracht hatten, nicht oder nicht mehr schwanger zu sein. Sie seufzte, fühlte sich matt auf einmal, ganz schrecklich müde, sodass ihr allmählich die Augen zufielen. Schlafen, dachte sie noch, nur schlafen ... nichts wissen...
Im Traum erschien ihr eine Szene von einem eisernen Gitterzaun, wie es in den Nachrichten des Westfernsehens gezeigt wurde; ihr Jürgen hing von einer Eisenstange durchbohrt mit ausgestreckten Armen halb auf dem Zaun... Aus ihrem Jürgen wurde Bogey Kloczowski, der sich langsam emporrichtete und ihr grinsend ein Tablettenröhrchen hinhielt... Bis sie – endlich – von bleiernem Schlaf erlöst wurde.
„Na denn mal Hals- und Beinbruch im neuen Heim“, hatten sie ihm in der Kulturhauskneipe mit auf den Weg gegeben, als er mit Gustav und Willi, die ihm dankenswerterweise beim Gepäcktragen helfen wollten, den Weg zur Straßenbahnhaltestelle eingeschlagen hatte. Diese kleine Szene hatte einen Zaungast gehabt: Richlind. Als sie Erdmann Jansens Stimme erkannte, der sich dankend verabschiedete, schlug ihr Herz gleich bis zum Hals. Sie war gerade beim Aufstecken ihres Blondschopfs gewesen und hatte vorsichtig – von der Gardine verdeckt – hinausgelugt, wobei ihr schmerzlich bewusst geworden war, den Spielleiter nun nicht einmal mehr bei den Mahlzeiten sehen zu können; als die drei Männer sich dann in Bewegung gesetzt hatten, hatte sie sich aus dem Fenster gebeugt, sodass sie um ein Haar herausgefallen wäre, und ihnen nachgeschaut, bis sie um die Ecke entschwunden waren.
„Durch diese hohle Gasse muss er kommen“, deklamierte Gustav nun, als sie sich in Rahnsdorf auf der Dorfstraße ihrem Ziel näherten. „Und dort wohne ich“, wies er auf eines der letzten Häuser mit der Erkerreihe bis zum fünften Stock hinauf, wobei er übers ganze Gesicht strahlte in dem Bewusstsein, Erdmann Jansen künftig so nahe zu sein.
Der war überrascht an der Ecke zur Kruggasse stehen geblieben, als er im Hintergrund die ihm schon beschriebenen Häuschen in der hellen Mittagssonne und der jetzt herbstlich-dunstigen Kühle liegen sah. Sie traten näher, und der Regisseur übersah die verrußte Schadhaftigkeit überall und das Ärmliche der grauen, schmucklosen Fassaden; er nahm nur das Gemütliche, das Ländliche wahr, den Gegensatz zu den düsteren Mietskasernen im Hintergrund. Mit sichtlichem Wohlgefallen betrachtete er die Gärtchen, schmunzelte über die Zwerge, nickte lächelnd. „Wunderschön habt ihr es hier“, meinte er, was in Willi Freude aufkommen ließ, weil er sein Viertel nahe der Müggelspree über alles liebte.
Als Erdmann Jansen dann in Michaelas blitzsauberer Wohnküche der Hausfrau gegenüberstand, die – von Gustav mit Genugtuung vermerkt – ihr gutes dunkelrotes Kleid trug, wiederholte er nach der Begrüßung: „Wirklich wunderschön hier, und so gemütlich wohnen Sie hier, Frau
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