Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
Lüge ein. „Eine Leiche haben wir, im Pissoir.“ Und als sich die Blicke des Fahrers instinktiv dem genannten Ort zuwandten, sodass Gasperlmaier glauben musste, er wolle jetzt stante pede den Tatort besichtigen, fand er zur nötigen Autorität seines Amtes: „Ihr könnt’s gleich zusammenpacken und abfahren, hier wird heute kein Bier ausgeschenkt, ist alles Tatort, wird alles sofort abgesperrt.“
Irgendwie war dem Gasperlmaier nun leichter, und ohne dem Bierfahrer noch weitere Aufmerksamkeit zu schenken, ging er zum Einsatzwagen des Kahlß Friedrich, holte eine große Rolle Absperrband heraus und wandte sich zunächst den Zugängen zum Bierzeltgelände zu, wo er begann, zwischen Bäumen und Zaunpfosten, Hecken und Verkehrstafeln die Plastikstreifen zu verankern, um die Altausser, die bald in Feststimmung auf das Gelände würden strömen wollen, nachdrücklich daran zu hindern.
3
Natürlich hatte sich die Sache nicht ganz so entwickelt, wie der Kahlß Friedrich es angeordnet und sich vorgestellt hatte. Als ein weißer Audi mit Liezener Kennzeichen hinter einem Streifenwagen auf die Wiese hinter dem Pissoir rollte, hatte sich bereits eine ansehnliche Menge Schaulustiger dort versammelt, die sich zwar nun hinter einer Absperrung befand, hinter die sie von Kahlß, Gasperlmaier und zwei Ausseer Kollegen, deren eine eine Kollegin war, gedrängt worden waren, zuvor aber hatten sie ausgiebig die Gelegenheit genutzt, in der Umgebung des Pissoirs sämtliche denkbaren Spuren zu zertrampeln. Wie hätten Gasperlmaier und Kahlß, die ja zunächst nur zu zweit am Tatort gewesen waren, sie auch daran hindern können?
Gasperlmaier war dies nur recht. Von Schleifspuren, die aus dem Zelt zum Pissoir führten, war nun mit Sicherheit nichts mehr zu sehen, weil eine Gruppe Schaulustiger gerade jenen Streifen Gras besetzte, über den Gasperlmaier den Doktor Naglreiter hatte ziehen müssen, um ihn im Pissoir ablegen zu können, wo er sich noch immer befand.
Ebenfalls im Pissoir befanden sich die Damen und Herren der Abteilung für Spurensicherung, die wirklich in so weißen, halb durchsichtigen Plastikanzügen steckten, wie Gasperlmaier das bisher nur im Fernsehen gesehen hatte. Und die, wie man aus den Flüchen besonders eines etwas korpulenteren Beamten unschwer entnehmen konnte, bereits unmäßig schwitzten.
Gasperlmaier, an der Seite des Kahlß Friedrich, erwartete die Ermittler aus Liezen, die wohl in dem weißen Audi sitzen mussten, denn aus dem Streifenwagen stiegen nur zwei Uniformierte, die gleich auf Gasperlmaier und den Kahlß Friedrich zuhielten.
Aus dem Audi stieg aber eine Frau in einem feinen Kostüm, und Gasperlmaier war sich zunächst nicht ganz im Klaren darüber, wer das sein konnte und was die hier verloren hatte. Aber es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Frau ein paar Schritte auf sie zu gemacht hatte und Gasperlmaier begriffen hatte, dass sie die Ermittlerin aus Liezen sein musste, die man geschickt hatte, um den Todesfall aufzuklären. Von seiner Frau war Gasperlmaier über die Jahre ebenso behutsam wie konsequent in die Geheimnisse der Gleichberechtigung der Geschlechter eingeweiht worden, sodass er eine nur mehr sehr kurze Schrecksekunde erlebte, sobald er einer Frau gegenüberstand, die eine Position einnahm, in der Gasperlmaier sich bis dahin nur Männer hatte vorstellen können.
Gasperlmaier streckte schon die Hand aus, um sie zu begrüßen, während die Frau, ohne ihn wahrzunehmen, an ihm vorbeisteuerte und den schwitzenden dicken Spurensicherer ansprach.
Einerseits ärgerte es Gasperlmaier, dass er von der Dame vollständig übersehen worden war, was indessen dem Kahlß Friedrich völlig egal zu sein schien, der versonnen zur Trisselwand hinüberblickte und froh darüber schien, dass der wegen der vielen Gaffer unmittelbar am Tatort fällige Rüffel bisher ausgeblieben war.
Andererseits konnte Gasperlmaier seine Blicke nicht von der Frau lassen, deren Auftritt bei ihm einen unmittelbaren und tiefen Eindruck auslöste. Ihr Kostüm war nicht ganz weiß, der Rock endete wenig oberhalb der Knie, und ihre wohlgeformten Beine steckten ihn ganz schön hohen Stöckelschuhen. Die konnte sie auch brauchen, dachte Gasperlmaier bei sich, denn sie war recht klein und reichte Gasperlmaier, der selbst kein Riese war, gerade einmal bis zum Kinn. Jetzt allerdings waren die Stöckelschuhe eher ein Hindernis, denn gerade war sie mit einem Absatz tief in die Wiese gesunken und dadurch fast ins Pissoir
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