Leuchtend
einen Blick hinein, um zu sehen, was sich darin befindet. Gabriel Diamonds schickt mir seinen marineblauen Pullover. Genau den, den er einige Minuten zuvor noch anhatte.
Mein Gott, mein Gott, mein Gott … Was bedeutet das?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder spiele ich bei seinem Spiel nicht mit und ignoriere seine mit Sicherheit ritterliche, aber zugleich auch deplatzierte Geste, oder ich entscheide mich für die praktische Lösung und ziehe den Pullover an, um weniger zu frieren. Ich entscheide mich für die zweite Möglichkeit, vor allem deshalb, weil ein Kleidungsstück nun einmal dazu da ist, getragen zu werden! Kaum habe ich den marineblauen Pullover angezogen, werde ich auch schon von seinem anziehenden Duft eingehüllt. Ein moschusartiger, holziger und intensiv männlicher Duft.
Bevor ich durch den süßlichen Duft des göttlich-unheilvollen Kaschmirs noch völlig den Verstand verliere, beschließe ich, zumindest einen Teil meiner Würde wiederzuerlangen. Während ich die Veranda verlasse, winke ich Nicolas diskret zu, um ihm dafür zu danken, dass er mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat. Ich steige die riesigen Marmortreppen, die zum Schloss führen, hinauf, gehe durch die große Halle und beschreite den geschwungenen Gang, der zu meinem Zimmer führt. Meine Arme sind verschränkt und mit meinen Händen streichle ich den feinen marineblauen Stoff und stelle mir vor, die Haut seines Besitzers zu berühren.
Meine Fantasie geht erneut mit mir durch.
Als ich seine Silhouette in einer kleinen Nische zwei Schritte von meiner Tür entfernt sehe, stolpere ich beinahe. Gegen die Wand gelehnt fixiert er mich unentwegt. Sein Gesichtsausdruck ist zuerst streng und angespannt, dann jedoch werden seine Gesichtszüge weicher und ich bewege mich wie ein Roboter nach und nach auf ihn zu. Meine Arme sind nach wie vor verschränkt und ich beschließe, sie so zu belassen, gefasst zu bleiben, doch es fällt mir unglaublich schwer, ihm in die Augen zu sehen.
"Sie haben sich ja Zeit gelassen!"
In seiner Stimme schwingt ein sarkastischer Unterton mit, also passe ich mich ihm an.
"Mir war nicht bewusst, dass ich erwartet werde. Vielleicht verwechseln Sie mich aber auch nur mit einem Mitglied Ihres Fanclubs, der die Ehre hatte, Sie mit dem goldenen Löffel füttern zu dürfen."
Verdammt, er wird merken, dass ich ihn während des Frühstücks beobachtet habe.
"Ich hätte sehr gerne eine von ihnen gegen Sie getauscht, Fräulein …?"
"Amande… Ähhhh Amandine, Amandine Baumann."
Jetzt kennst du nicht einmal mehr deinen eigenen Vornamen? Wie peinlich!
Einige Sekunden lang starrt er mich mit seinem stolzen und zugleich intensiven Blick an und ein spöttisches Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. Er ist ja nicht blind und weiß bestimmt, in welchen Zustand er mich gerade versetzt, und das ärgert mich am allermeisten.
"Sie warten bestimmt auf mich, damit ich Ihnen Ihren Pullover zurückgebe? Danke für diese freundliche Geste, Sie bekommen Ihn gleich zurück."
"Glauben Sie mir, Amande, meine Geste war alles andere als freundlich."
Ein fremdes, beinahe schon bedrohliches Leuchten flammt in seinen Augen auf. Das Spiel, bei dem es darum geht, dem anderen so lange wie möglich in die Augen zu sehen, habe ich bereits verloren. In Anwesenheit dieses Mannes fühle ich mich ganz klein, aber ich kämpfe gegen seine Lust, mich zu dominieren und zu seiner Marionette zu machen, an. Er wird nicht derjenige sein, der meine Fäden zieht, allerdings zerrt er sehr wohl an meinen Nerven.
"Geschenke nehme ich nur von meinen Freunden entgegen. Seien Sie sich dessen bewusst, Monsieur, dass ich durchaus in der Lage bin, mich selbstständig anzuziehen und diese Freiheit auch jeden Tag genieße."
"Freiheit ist ein weit gefasster Begriff, Amande. Für die meisten Sterblichen ist sie einfach nur eine Illusion. Frei zu sein, bedeutet, zu dominieren, und genau das ist meine Spezialität."
"In Ihrem Fall wird die Freiheit, wie ich sehe, von Arroganz begleitet.
Meine Freiheit ist hingegen viel einfacher gestrickt und wirkt sich nicht zulasten anderer aus."
Amandine, zwei Punkte. Monsieur Superego, null Punkte.
"Ihre wirren Worte beeindrucken mich nicht, Amande.
Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, diese Lippen, die zu mir sprechen, zu bewundern."
Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Dieser Monsieur "Ich-weiß-alles" mit seinem durchdringenden Blick macht mich rasend und verwirrt mich zugleich in meinem tiefsten
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