Leuchtend
Gänge, die zu Gabriel Diamonds privaten Apartments führen, Heft und Kugelschreiber in der einen Hand, die andere Hand in der Hosentasche. Ich habe mich etwas früher auf den Weg gemacht, falls ich mich in diesem labyrinthähnlichen Schloss verlieren sollte, denn dazu wäre ich gewiss in der Lage. Und diese Entscheidung war wirklich goldrichtig, denn auf halbem Wege bemerke ich plötzlich, dass ich den berüchtigten Pullover vergessen habe. Manchmal ist es wirklich nicht einfach, ich zu sein! Nach einem Hin und Zurück im Laufschritt ist es 12 Uhr 05, als ich ein wenig außer Atem an der Tür klopfe, die mir der Butler gezeigt hat und hinter der sich "Monsieur" versteckt.
"Herein."
OK. Er hätte nicht kälter, autoritärer und gleichgültiger sein können. Das fängt ja gut an.
"Sie sind zu spät."
Wie nett von ihm, mich zu beruhigen …
"Ja, aber ich habe Ihren Pullover."
"War er denn so schwer, dass Sie seinetwegen zu spät gekommen sind?"
Nur nette Worte. Weiter so!
"Wollen Sie ihn zurückhaben? Ich kann ihn gerne auch wieder mit auf mein Zimmer nehmen?"
"Seien Sie nicht so bitter, meine Amande. Setzen Sie sich."
Er zeigt auf einen braunen Lederfauteuil auf der anderen Seite des riesigen Schreibtischs aus Massivholz, hinter dem er thront. Während ich mich setze und dabei seinen Blicken sorgfältig ausweiche, lässt er mich nicht aus den Augen. Seine tyrannische Seite macht mich ebenso wahnsinnig, wie mich sein Charisma erstickt. Und seine Schönheit überwältigt mich. Ich weiß nicht, wohin ich sehen soll.
Nicht auf seine Lippen, nicht auf seine Lippen, nicht auf seine Lippen. Schau auf seine Stirn!
Ich öffne mein Heft, beginne einen Satz, bei dem jedoch meine Stimme versagt, räuspere mich ungeschickt und fange noch einmal von vorne an:
"Ich habe einige Fragen vorbereitet."
"Ich auch."
"Ach, Sie werden mich also interviewen? Für welche Zeitung?"
Fang nicht wieder an, Amandine, provoziere ihn nicht, er wird ohnehin gewinnen!
"Ja, ich werde Sie interviewen, aber nur für private Zwecke."
"Gut. Wer beginnt?"
"Nach Ihnen, meine süße Amande."
"Kommt es vor, dass Sie sich an gewisse Regeln halten?"
Gut gemacht. Erste Frage, erste Improvisation. Gute Journalistenarbeit. Du wirst es weit bringen, meine Kleine!
"Äußerst selten, aber Sie können es gerne versuchen. An welche denn?"
"Beispielsweise die, Personen mit ihrem richtigen Vornamen anzusprechen. Die Fragen zu dem Interview zu beantworten, das Sie geplant haben. Sich freundlich gegenüber den Personen zu zeigen, die Sie eingeladen haben?"
"Vornamen werden lediglich ertragen, Spitznamen sind stets die bessere Wahl. Auf Ihre Fragen antworte ich gerade. Und Freundlichkeit ist nur der soziale Schleier natürlicher Triebe."
Nur das.
Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Empört von seiner Selbstgefälligkeit, überwältigt von seinen scharfen Antworten und erschüttert über seine letzten Worte. Sein schönes, edles Gesicht kann die Lust, die ihn scheinbar belebt, nicht mehr verstecken. Ich glaube, niemals zuvor wollte mich jemand so sehr wie er. Ich weiß nicht, wie ich mit dieser Lust, die nun auch in mir aufsteigt, umgehen soll. Er fährt mit seinem Monolog fort, um mich gleichermaßen zu provozieren und sich zu beherrschen.
"Ihr Schweigen ist sehr aussagekräftig … Fahren Sie fort, bevor Sie alle Regeln über Bord werfen und sich von Ihren innersten Trieben leiten lassen."
"Sie sind wirklich davon überzeugt, immer Recht zu haben?"
"Nein, nicht immer. Oft. Ich bin lediglich davon überzeugt, dass Sie in diesem Moment vor Lust sterben, mich zu küssen. Und ich träume davon, noch viel schlimmere Dinge mit Ihnen zu machen. Aber wir sprechen miteinander, um diesen Trieben zu entkommen –
anstatt der Versuchung nachzugeben."
Während er den charmant-intelligenten Gentleman spielt, erhebt er sich aus seinem großen Fauteuil, geht um seinen Schreibtisch herum, und lehnt sich mir zugewandt dagegen. Immer noch sitzend kann ich den Blick nicht von der Beule in seiner Hose abwenden. Panisch suche ich nach einem anderen Anhaltspunkt und mein Blick fällt auf seine Lippen.
Ein fataler Fehler …
Ich springe aus meinem Fauteuil, um dieser Dominanz, die er durch seine Haltung ausstrahlt, ein Ende zu setzen, aber auch, um mich diesem teuflischen Mund, der mich magnetisch anzieht, zu nähern. Er legt seine Hand auf meine Schulter und mit einer ebenso sinnlichen wie gnadenlosen Geste drückt er mich zurück in den Fauteuil.
"Glauben
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