Level X
Hol m i ch hier rau s ! Schnell!«
Ich sah zu ihr. Sie hatte w i e ich die Augen geöffnet und sta r rte m i ch an, angst e r f üllt, aber k a mp f bereit.
Was in den nächsten Minuten geschah, erlebte ich nur als passiver, betäubter Zuschau e r. Ich fühlte m i ch wie ein Schlafwandler. Überall um uns herum waren hilfreiche Hände. Starke Ar m e hoben Anne aus dem W agen, richteten sie auf und brachten s i e in Sicherheit. Sie lebte! Verletzt, voller Schram m en, unter Schock stehend, aber sie lebte! U nd stand pl ö t zlich vor mir, ganz ohne fre m de Hil f e.
Irgendwie kä m p fte ich m i ch durch die betäubenden Wogen des Irrealen, die über m i ch s chwappten, und nahm sie in d i e A r m e. Ihr Körper fühlte s i ch fest an, warm und real. Es schien un m öglich, aber sie lebte!
Es war Anne, die nun die Kontrolle übernah m , die m i ch beruhigte und m i r i m m e r wieder versicherte, dass alles in Ordnung sei. Sie streichelte m ein Gesicht, blickte m i ch er m utigend an und beruhigte m i ch wie bei einem kleinen Kind m it sanften Koselauten. Ich v ersuchte zu sprechen, brachte aber kein W ort he r vor. Sie legte m i r einen Finger auf die Lippen. Versuche es nicht. Es ist alles in Ordnung. W i r sind zusam m en. Alles wird gut. W i r sind in Sicherheit.
Plötzlich erinnerte ich m i ch an Charlie, u n d Schuldgefühle überka m e n m i ch. W i e hatte ich nur derart m it m einen eigenen E m pfindungen beschäftigt sein können! Ich drehte m i ch um und rief seinen Namen, in der Erwartung, ihn auf uns zugelaufen kom m en zu sehen, von ihm gedrückt und geküsst zu werden und endlich ganz sicher sein zu können, dass nichts mehr zu befürchten war.
Doch aus der u m stehenden, schweigenden Zuschauer m enge löste sich kein Kind. Ich rief erneut Charlies N a m en. Verständnislose Blicke und Verwunderung waren alles, was ich erntete.
Ich wandte m i ch an Anne. » W o ist er? Er war hier. In Sicherheit.«
» W er?«
Eine eisige Hand legte sich um m e in Herz, als ich in ihrem halb verängstigten, halb besorgten Blick derselben Unsicherheit, de m selben Unverständnis begegnete, das überall um m i ch herum herrschte. »Charlie! Unser Sohn Charlie! Sie haben ihn rausgeho l t! Er war nic h t verlet z t ! Ich habe ihn im A r m gehalt e n. Charlie!« Ich schrie inzwischen, drehte m i ch wild um die eige n e Achse und rief nach unserem Sohn, der sich in Luft aufgelöst hatte.
»Richard! Richard!« Anne hielt m i ch fest, versuchte m i ch zu beruhigen, m eine hilflos w edelnden Ar m e unter Kontrolle zu bekom m e n. »Nein, Richard, nicht! Tu das nicht!«
» W o ist er? Ich kann m i ch doch nicht geirrt haben! W o ist er? W o ist unser Sohn ? «
»Richard! R i chard!« Sie schüttelte m i ch, zwang m i ch, sie a n zuse h en, hielt m i ch m it ihrem entschlossene n , verzweifelten Blick gefangen. » W ir haben keinen Sohn. Ich weiß nicht, wovon du redest. W i r haben keinen Sohn.«
Erneut spürte ich, wie Dunkelheit m i ch zu umfangen drohte. Ich versuchte, das Gleichgewicht zu halten, m einen gesunden Menschenverstand zu wahren angesichts dieser neuen Absurdität. Ich b l ickte nach links und rechts, musterte die verblüfften, aufgeregt mur m elnden Schaulustigen. W as m o c hten s i e von dieser Sze n e halte n ? W er war di e ser v err ü ckte Mann, der nach einem Kind rief, das lediglich seiner Einbildung entsprungen zu sein schie n ?
Und dann fiel m ein Blick auf die Un f allstelle, d e n u m gekippten Laster und das eingeklem m t e Auto.
Nur lag d a j e tzt nic h t m ehr Annes Auto. In dem grotesken W i rrwarr aus Met a ll, Glas und Leder erkannte ich eindeutig die Farbe und die verzogenen U m risse m eines eigenen W agens. Ja, es war m ein dunkelblauer Mustang, der m it d e m Laster kollidiert war.
Etwas W ar m es, Flüssiges lief m i r über die Stirn und in die Augenwinkel. Ich tastete danach, und als ich m eine Hand betrachtete, erkannte ich, dass es Blut war.
Ich sah an m einen Kl ei dern hinunter. Es waren nicht dieselben, die ich zuvor getragen ha tte. Ich h atte auch n i e zuvor den grauen Anzug gesehen, den Anne trug und der, obwohl schmutzig und zerrissen, nach wie vor teuer wirkte. Nein, einen solchen Anzug hatte Anne nie besessen. Und dennoch war sie es, die da vor m i r stand und m i ch besorgt und ängstlich anstarrte, als steckte ich in schrecklichen Schwierigkeit e n und als wüsste sie nicht, wie sie m i r helfen könnte.
Plötzlich kam B e wegung in die Menge. Zwei Männer
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