Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Level X

Level X

Titel: Level X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
Vom Netzwerk:
falsche V o rstellung davon. Sie glauben, einen Psyc h i ater zu ko n sultieren be deute a u tomati s ch das Eingeständnis, verrückt zu s e in. U nd das ist weiß Gott nicht so.«
    »Das weiß ich sehr wohl«, erwiderte ich gereizt, aber wieder um eine nor m ale Lautstärke be m üht. »Ein bisschen Schulbildung habe auch ich genossen.« Ich hielt inne, und dann fügte ich widerwillig hinzu: » T ut m i r Leid, dass ich Sie so angebrüllt habe.«
    »Schon in Ordnung. Ich weiß, dass Ihnen das alles furchtbar auf die Ne r ven geht. W i r versuchen nur zu helfen.«
    Ich seufzte und sank in m eine Kissen zurück. »Nun, wenn es hil f t, werde ich den Seelenklempner eben aufsuchen. Ich will nur eins: so schnell wie m öglich hier rauskom m e n.«
    Die Frau, d i e eine S t u n de später m ein Zim m er betrat, war noch jung. Und sie war blind. S i e fand ihren W eg zu dem Stuhl neben m einem Bett mithilfe eines weißen Stocks, setzte sich und stellte sich als Em m a Todd vor. Wenn ich einverstanden wäre, sc hl ug sie v o r, würde sie m i ch Richard nennen, und ich sollte Em m a zu ihr sagen. Ich fra g te, warum sie m i ch nicht Rick nannte wie alle anderen auch. Darüber schien sie eine W eile nachzudenken, und dann sagte sie: »Okay, Rick.«
    Ich weiß nicht, warum ich so verwundert darüber war, einer blinden Psychia t erin gegenüberzusitzen. Wahrscheinlich, weil m an a l lge m ein annim m t, dass es sich dabei um einen Beruf h a ndelt, der eine ausgesprochen gute Beobachtungsgabe verlangt – obwohl m an ja tat s ächlich viel eher ein guter Zu h örer sein muss. Em m a Todd verstand es ohne Zweifel, m it einer intensiven Auf m erks a m keit zuzuhören, die am Anfang etwas beunruhigend wirkte. D och ihre Blindheit hatte für m i ch auch ei n i ge Vorteile. Sie erlaubte m i r, sie oh n e Scheu zu betrachten. Ich begann sehr rasch, m i ch in ihrer Gesellschaft wohl zu fühlen.
    Obwohl sie m i r zuerst eher schlicht, ja, beinahe reizl o s vorka m , stellte ich b e i g enauerem Hinsehen f est, dass i h r Gesicht ei n e beachtliche natürliche Schönheit b esaß: Die Schädelform war klassisch, die völlig ungesch m i nkte Haut m akellos. Doch das kurze, glatte braune Haar trug überhaupt nicht dazu bei, i h re Züge zu betonen; und die blinden, starrenden Augen, deren Blau beinahe die Bläs s e von grauem Star hatte, verliehen ihrem Gesicht etwas Flaches, das es auf den ersten Blick wenig attra k tiv erscheinen ließ. Ich nahm an, dass sie etwa m ein Jahrgang sein m usste, aber s i e sah älter aus. Außerdem ver m utete ich, dass sie von Geburt an bl i nd war. Ihre ganze Haltung hatte etwas Linkisches an sich, als hätte sie nie gelernt, sich an m utig zu bewegen.
    Obwohl unsere Unterhaltung eher oberflächlich, ja, beinahe im Plauderton verlief, blieb ich auf der Hut. Schlie ß lich war sie nicht zum S m alltalk gekommen, sondern um eine Diagnose zu stellen, jeden m e iner Sätze und jede m einer sorgfältig überlegten, m anch m a l ausweiche n den Antworten zu analysieren, auf der Suche nach einem Hinweis darauf, was m it m i r los war. Ich m einerseits versuchte natürlich, m it jed e m W ort zu signalisiere n , dass ich v öllig n o r m al war – was, wie ich schnell feststellte, aus g esprochen schwierig, wenn nicht gar un m öglich war. Sie m erkte das natürlich sofort, und ihre L i ppen verzogen sich zu e i nem selt s am lie b enswerten Lächeln.
    »Schauen Sie«, sa g t e s i e, »ich weiß, was Sie v o rhaben, aber das ist eigentlich unnötig. Ich versuche nicht, Sie auszutricksen oder bei irgendetwas zu erwischen. Sprechen Sie einfach m it m i r wie m it einem Freund.«
    »Ich werd’s versuchen«, erwiderte ich. »Aber Sie können es m i r wirklich nicht übel neh m en, wenn ich ein bisschen m i sstrauisch bin.«
    Sie lachte. Es war ein helles, ungezwungenes Lachen, das sie m i r noch sy m pa t hischer m achte. »Erzählen Sie m i r von Charlie.«
    »Lieber nicht«, entgegnete ich. »Genau das scheint m i r schon Ärger genug gebracht zu haben.«
    » W as allerdings kein Grund ist, vorzugeben, Sie glaubten nicht an seine Existenz – wenn Sie es in Wahrheit doch tun.«
    Ich schwieg. W i e konnte ich vorgeben, dass m ein Sohn nicht existierte? Andererse i ts: W as erwartete m an von m i r? W as sollte ich sagen? Plötzlich drang ein Laut aus m i r, den ich zuerst gar nic h t identifizieren konnte. Ich m erkte nicht ein m al sofort, dass er von m i r kam. Bis ich dann begriff: Ich weinte.
    Sie versuc h t

Weitere Kostenlose Bücher