Level X
je m and ganz anderes zu sein. Ich wollte sie gerade darauf ansprec h en, als die Schwester ins Zimmer trat und, nachdem sie m i r einen m ahnenden Blick zugeworfen hatte, d em Arzt die Tür aufhielt. Es war dies m al ein anderer Mann, ä l ter als der erste, m it ergrauendem Bürstenschnit t , a b er geba u t wie ein Elitesoldat. Dennoch war er ausgesprochen h öflich. Er wirkte entspannt, sprach langsa m , und in seiner gesa m t en Art lag ein Hauch von Ironie.
»Ich weiß, dass S i e so schnell wie m öglich hier rauswollen …« Er leuchte t e m i r m it e i n er kleinen Stabla m pe in die Augen, zuerst in das eine, dann in das andere. » N un, das sollte sich in ein bis zwei Tagen m achen lassen.«
»Mir fehlt nichts.«
»Hab ich auch nicht behauptet, oder? W i e viele Finger halte ich hoch ? «
»Drei.«
»Gut.«
»Nein, nicht gut: lächerlich!«
»Hey, es ist ein W under, dass S i e überhaupt noch oben und unten voneinander unters c heiden können, nach all dem Zeug, das m an in Sie hineingepu m pt hat.« Er griff nach m einem Krankenblatt und notierte etwas darauf.
»Ich habe nicht darum gebeten, etwas hineingepumpt zu bekommen!«
»Nun, wir haben’s unaufgefordert getan – wir dachten, dass Sie’s später schon noch zu schätzen wüssten.«
Ich sah zu Anne hinüber. »Ich will Harold sehen, sofort.«
Der Arzt hob fragend eine Augenbraue. »Harold ? «
»Sein Anwalt«, erklärte Anne.
»Ah! Natürlich, e m pfangen Sie, wen Sie wollen.«
»Bring Harold her!«, wiederholte ich m it Nachdruck. Anne verzog bedauernd die Miene. »Harold ist geschäftlich in New York.«
»Seit wann?«
»Seit zehn T agen.«
Es dauerte eine W eile, bis i c h das verdaut hatte. »Das ist un m öglich! Ich bin hier noch keine zehn Tage.« Ich blic k t e zu dem Arzt auf. » W ie lange bin ich schon hier ? «
»Achtundvierzig S t unden.«
Ich wandte m i ch wieder Anne zu. S i e z u ckte z u sam m en angesichts der Verwirrung und d e r W ut, die sich auf m ein e m Gesicht abgezeichnet haben m ussten. »Du weißt, dass Har o ld nicht weg ist.« Ich schrie d i e Wor t e fast heraus. »Ich war noch bei ih m , kurz bevor der Unfall passi e rt ist. Er hat m i r n och e r zählt, dass er dich an diesem Morgen angerufen hat.«
Anne biss sich erneut auf die Unterlippe und kä m p fte gegen die T ränen. Der Arzt hatte die ganze Zeit stumm zwischen uns hin und her geblickt. Nun ergriff er das W o rt:
»Mrs. Ha m ilton, es gibt n i chts, worüber Sie sich ernsthaft S o rgen m achen m üssen. Ihr Mann wird wieder gesund werden.« Er wollte, dass sie das Zim m e r verließ.
Anne verstand den Hinweis und trat näher an m ein Bett, um m i ch zu küssen. W i r sahen uns eine W eile an, dann schlang sie die Ar m e um mich und drückte m i ch fest an sich. Mit einem Mal plagte m i ch mein Gewissen, dass ich sie, wenn auch nur indirekt, beschuldigt hatte, m i ch auf eine m erkwürdige Art und W eise zu hintergehen, die ich selbst noch nicht verstand. Ich wollte nicht, dass sie ging. Sie war mein Fixpunkt in einer W elt, die plötzlich verrüc k t spielte.
Als könne sie m eine Gedanken lesen, vergrößerte sie den Abstand z w ischen u n s ein w e nig und sah m i r prüfend in die Augen – und für ein paar S e kunden war alles wieder in Ordnung. Ich kannte diesen B lick. Er hatte etwas Vertra u t es. Er war re a l .
»Ich bin bald wieder zurü c k«, flüsterte sie. »Ich liebe dich.«
»Ich weiß. Ich liebe dich auch.« Ich erwiderte ihren er m utigenden Händedruck. »Ich bin schon okay.«
Dann war sie fort, ganz schnell, ohne sich noch ein m al u m zudrehen. Der Arzt hatte sich die ganze Zeit über diskret im Hintergrund gehalten und betrachtete m i ch nun m it professioneller Freundli c hkeit vom Fußende m eines Bettes a u s.
»Schauen Sie«, begann er, »ich weiß, dass einige Leute es falsch verstehen, wenn sie den Ratschlag zum ersten Mal hören, aber nichtsdestotr o tz …« Ich wartete geduldig.
»Physisch gesehen sind Sie vollkom m en in Ordnung. W as halten Sie davon, einen Psychiater aufzusuchen? W i r haben je m anden hier, der über ganz besondere Kenntnisse verfügt. Ich weiß, dass S i e bei …«
»Verfluchte Scheiße! S i e b rauchen einen ver d am m t en Psychiater!« Ich war selbst von der Heftigkeit m einer Antwort überrascht. D er Arzt s c hien a ll e rdings nichts anderes erwartet zu haben, denn er blinzelte nicht ein m al.
» W ie ich schon sagte, die m eisten Leute m achen sich zuerst eine ganz
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