Lewis, CS - Narnia 7
Bergen.«
»Ist das denn nicht Aslans Land?« fragte Tirian.
»Jedenfalls sieht es nicht aus wie Aslans Land auf dem Gipfel des Gebirges jenseits des östlichen Endes von Narnia«, meinte Jutta. »Da bin ich nämlich gewesen.«
»Wenn ihr mich fragt«, erklärte Edmund, »so sind wir irgendwo in Narnia. Schaut auf die Berge vor uns und auf die großen Eisberge jenseits davon, sie sehen alle aus wie die Berge von Narnia, ich meine wie die Berge oben über dem Wasserfall beim Laternendickicht.«
»Ja, so ist es«, sagte Peter. »Diese Berge hier sind nur etwas größer.«
»Ich glaube nicht, daß jene Berge genauso sind wie die Berge in Narnia«, sagte Luzie. »Aber seht dort!« Sie zeigte südwärts zu ihrer Linken, und alle standen still und wandten sich um. »Diese Hügel«, fragte Luzie, »die schönen bewaldeten und dahinter die blauen – gleichen sie nicht den südlichen Grenzen von Narnia?«
»Ganz gleich!« rief Edmund nach einem Augenblick des Schweigens. »Wirklich, sie sind ganz gleich. Schaut, da ist unser Berg, der Gabelkopf, und da ist der Paß zum Archenland.«
»Aber sie sind nicht gleich«, sagte Luzie. »Sie sind anders. Sie sind farbiger und sehen weiter entfernt aus, als ich mich erinnere. Sie sind mehr … mehr … ja, ich weiß nicht…«
»Mehr als das Wirkliche«, sagte Lord Digor sanft.
Plötzlich spreizte Weitsicht der Adler seine Schwingen, stieg zehn oder zwölf Meter in die Luft auf, kreiste herum und setzte dann leicht wieder auf dem Boden auf.
»Könige und Königinnen«, rief er, »wie sind wir doch alle blind gewesen! Jetzt erst fangen wir an zu sehen, wo wir sind. Von oben habe ich alles erblickt: Ettonsmur, Biberdamm, den Großen Fluß und Otterfluh, das noch am Rande der östlichen See liegt. Narnia ist nicht tot. Das hier ist Narnia.«
»Aber wie kann das sein?« fragte Peter. »Aslan sagte uns doch, wir älteren Menschen kehrten niemals mehr nach Narnia zurück, und doch sollen wir in Narnia sein?«
»Ja«, erwiderte Eugen, »wir sahen doch, wie Narnia zerstört und die Sonne ausgelöscht wurde.«
»Alles ist hier auch so anders«, stellte Luzie fest.
»Der Adler hat recht«, erklärte Lord Digor. »Hör zu, Peter. Als Aslan sagte, du könntest nie mehr nach Narnia zurückkehren, meinte er das Narnia, an das du dachtest. Aber das war gar nicht das richtige Narnia. Das hatte einen Anfang und ein Ende. Es war nur ein Schatten oder ein Abklatsch des wirklichen Narnia, das immer hier gewesen ist und sein wird – genauso wie unsere eigene Welt, unser Land und alles übrige nur ein Schatten ist oder ein Abklatsch von etwas in Aslans wirklicher Welt. Du brauchst um Narnia nicht zu trauern, Luzie. Alles, was noch zum alten Narnia gezählt hat, all die lieben Geschöpfe sind durch die Tür in das wirkliche Narnia gezogen. Natürlich ist es anders, ebenso verschieden wie ein wirkliches Ding von einem Schatten. So verschieden, wie wirkliches Leben sich von einem Traum unterscheidet.« Als er diese Worte sprach, klang seine Stimme allen wie eine Posaune. Flüsternd fügte er hinzu: »Ihr findet das alles schon bei dem Philosophen Platon, alles steht schon bei Platon. Du meine Güte, was wird uns alles in den Schulen gelehrt!«
Da lachten die älteren. Genauso hatte Digor schon vordem in der irdischen Welt gesprochen, als sein Bart noch grau war statt golden. Er wußte, warum sie lachten, und er stimmte selbst in das Lachen mit ein. Aber sehr schnell wurden wieder alle ernst. Man weiß ja, es gibt eine Art Glück, die einen ernst stimmt. Sie ist zu gut zum Scherzen.
Worin dieses sonnenbeschienene Land sich von dem alten Narnia unterschied, ist ebenso schwer zu erklären, als wenn man erläutern wollte, wie die Früchte dieses Landes schmecken. Vielleicht bekommt man eine Ahnung davon, wenn man so denkt:
Man stellt sich einen Raum vor mit nur einem Fenster. Durch das Fenster kann man auf eine liebliche Bucht am Meer hinaussehen oder auf ein grünes Tal zwischen Bergen. In der Wand dieses Raumes, dem Fenster genau gegenüber, hängt ein Spiegel. Wenn man sich vom Fenster abwendet, dann erblickt man plötzlich das Meer oder das Tal in diesem Spiegel. Das Meer oder das Tal im Spiegel zeigen jedoch das wirkliche Meer oder das wirkliche Tal vor dem Fenster mehr wie Orte in einer Geschichte. Die Wirklichkeit draußen vor dem Fenster ist aber viel tiefer und wunderbarer.
Der Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Narnia war ebenso. Das neue Narnia war ein Land mit
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