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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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Rühreiportionen
von den Kellnern ausbaten und dabei grundlos ins Lachen fielen, war zu merken, dass
etwas Unheimliches in uns hineingriff.
    Am
Nebentisch flog ein knallendes Tischtuch durch die Luft. Man hörte die
abgeplatzten Stärkepartikel förmlich rieseln. Neue Gäste setzten sich, nicht zu
uns gehörig.
    Stefan
Gitzin erzählte von dem sagenhaften Begräbnis eines Zigeunerbarons, das vor
mehr als dreißig Jahren in Bulgarien stattgefunden hatte. Der Baron hatte sich
eine riesige Grabkammer nach ägyptischem Vorbild bauen lassen, und diese Kammer
war mit Möbeln und Vorhängen und sogar einem Farbfernseher ausstaffiert worden.
    Stefan
nahm ein Stück Rührei mit der Gabel auf, das wieder herunterglitschte. Der
Zigeunerbaron ließ ihn nicht los. Er sei auf ein Prunkbett gelegt worden, seine
Nachtmütze habe er auf dem Kopf getragen. Hausschuhe, Hausmantel, Zigaretten,
Whiskey, für alles habe man gesorgt.
    Und?
fragte der Energiewirt. Keine Mädchen?
    Dochdoch.
So an die zwanzig, dreißig, wahrscheinlich alle vergiftet oder erwürgt.
    Wir
setzten ein Allzwecklächeln auf und wechselten das Thema.
    Außer
Tabakoff, der tagsüber mit seinem neuen bulgarischen Bestattungsgeschäft
befaßt gewesen war, hatte sich niemand von uns um die Reste der Toten
gekümmert. Und Tabakoff ging nicht in Einzelheiten, er beschränkte sich darauf,
uns zu versichern, alles sei in bester Ordnung.
    Nekrologe?
erlaubte sich der Rosenzüchter zu fragen. Ja, Nekrologe seien gedruckt und überall
aufgehängt worden, an Bäumen, in den Wohnblocks, wo noch Verwandte lebten, und
an den Plätzen, wo es sich eingebürgert hatte, die schwarzumrandeten
Totenzettel mitsamt Photo anzubringen.
    Für
die Messe hatte Tabakoff Sveta Nedelja ausgesucht, vom Hotel aus zu Fuß in etwa
zehn Minuten zu erreichen. Tags zuvor im Bett hatte ich genügend Zeit gehabt,
etwas über die Kirche zu lesen. Um so mehr erstaunte mich Tabakoffs Wahl, und
nicht weil die Kirche eine architektonische Besonderheit gewesen wäre. Was heute
von ihr zu sehen war, ging auf einen Baukörper aus dem Mittelalter zurück, doch
Ende des neunzehnten Jahrhunderts war Sveta Nedelja umgestaltet worden.
    Unheimlich
war die Kirche wegen des sechzehnten April 1925. Ein entsetzlicher Tag. Zu
einer Trauerfeier hatten sich Prominente aus Regierungskreisen, dem Militär,
vom Hof in großer Zahl eingefunden. Man erwartete den Zaren. Da ging eine
Bombe hoch. Schreie, zerfetztes Fleisch, die mittlere Kuppel stürzte ein.
Schutt, Staub, Blut, Knochensplitter, etwa hundertfünfzig Menschen waren
sofort tot, Hunderte verletzt, viele von ihnen trugen schwere Verstümmelungen
davon.
    Das
Attentat hatte Boris III. gegolten, der aber verschont geblieben war, weil er
an der Feier nicht teilgenommen hatte. Schon damals waren die Sprengfanatiker
keineswegs zimperlich, in diesem Falle Kommunisten, wie sich bald
herausstellte. 1931 wurde die Kirche von Grund auf renoviert. Als die Kommunisten
an die Macht kamen, sollte Sveta Nedelja zugunsten eines monumentalen Lenin
abgerissen werden. Vielleicht war den neuen Machthabern der Gedanke an das
brutale Attentat mit so vielen Toten und Verletzten insgeheim peinlich. Doch
die Denkmalschützer protestierten, und die Kirche konnte vor dem Abriß bewahrt
werden.
    Auf
einer verkehrsumflossenen Insel liegt Sveta Nedelja. Als wir uns vom Hotel aus
in Marsch setzten und Sofias berühmtes gelbes Pflaster betraten, merkte ich, dass
ich meine Brille vergessen hatte, wagte aber nicht, mich von der Gruppe zu
lösen, um sie zu holen.
    Vom
Nachtregen war alles erfrischt. Die Sonne hatte die Pfützen aufgesogen, nur hie
und da sah man noch feuchte Stellen. Man hatte uns vor dem gelben Pflaster
gewarnt, feucht sei es extrem rutschig. Es war aber schon trocken. Wir gingen
am Zarenpalast und an der Rückseite des Archäologischen Museums vorüber.
    Ich
kam mir vor wie ein Gegenstand, der mechanisch die Beine hebt, und bewunderte
die Geschmeidigkeit und Eleganz meiner Schwester. Sie trug ein dunkelgraues
Kostüm mit schwarzem Besatz, dazu schwarze Strümpfe, gemustert in raffinierten
Längsstreifen, und schwarze Lackschuhe. Die durchbrochenen schwarzen
Handschuhe und die Handtasche, die diese Durchbrochenheit in einem ledernen
Gewirk wiederholte, waren vielleicht eine Spur übertrieben, aber ich fand sie
hinreißend. Schwarz uniformiert wie üblich, tappte ich hinterdrein.
    Eins,
zwei, eins, zwei, Bein hoch, Bein runter, wirklich, ich ging wie der

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