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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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im Weltall ist sichtbar. Den Rest – und dabei sind nicht die Dinge gemeint, die unter dem Bett verschwunden sind – bezeichnet man als Dunkle Materie. Insgesamt gibt es sogar deutlich mehr Unsichtbares als Sichtbares im Universum – etwa fünf- bis zehnmal so viel. Worum es sich dabei handelt, ist bis heute unklar.
    Man weiß von der Existenz der unsichtbaren Materie, weil sie sich indirekt durch ihre Masse bemerkbar macht: Massen ziehen sich gegenseitig an, behauptet das Gravitationsgesetz mit Recht, und daher beeinflusst die Dunkle Materie über die Gravitationskraft die Bewegung von sichtbaren Dingen wie Sternen, die man wiederum beobachten kann.
    Die Beschäftigung mit dem Unsichtbaren ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit von Astronomen. Wenn man sich die Abläufe am Himmel genau ansieht, passiert es häufig, dass man die Bewegungen von Himmelskörpern nur erklären kann, indem man das Vorhandensein von ganz anderen Himmelskörpern annimmt, die im Dunkeln bleiben, entweder weil sie wirklich unsichtbar sind (Schwarze Löcher beispielsweise) oder weil sie zu schwach leuchten, um mit den jeweils vorhandenen Fernrohren gesehen werden zu können. Je größer die Teleskope werden, desto mehr ehemals «Unsichtbares» wird plötzlich sichtbar. So schloss Friedrich Wilhelm Bessel im Jahr 1844 aus den Bewegungen des hellen Sterns Sirius, dass dieser von einem unsichtbaren Begleiter umkreist wird. Es dauerte 16 Jahre, bis Alvan G. Clark, ausgerüstet mit einem leistungsfähigeren Teleskop, den äußerst schwach leuchtenden Begleiter sehen konnte: Sirius B wurde schnell berühmt, weil es sich um eine heiße Sternenleiche handelte; er gehört zu einer Objektklasse, die man später als «Weiße Zwerge» bezeichnete. Ähnlich wie Sirius B wurden in den letzten zehn Jahren mehr als 100 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems indirekt über ihre Schwerkraft gefunden: Man kann sie nicht sehen, aber sie ziehen und zerren so penetrant an ihren eigenen Sonnen, dass diese ein wenig hin und her zappeln. Es ist dieses Zappeln, das es uns ermöglicht, die für unsere gegenwärtige Technik unsichtbaren fremden Welten zu finden. Das eigentlich Geheimnisvolle an der Dunklen Materie ist darum nicht ihr Vorhandensein, sondern dass es so überraschend viel davon gibt.
    Der Erste, der dies behauptete, war der Schweizer Astronom Fritz Zwicky im Jahr 1933. Er beobachtete die Bewegungen von Galaxien im Sternbild Coma Berenices, einer Himmelsgegend, in der es vor Galaxien nur so wimmelt. Fotografien dieser Gegend zeigen eine unüberschaubare Vielzahl von verwaschenen Nebelflecken, die sich bei näherer Betrachtung (mit größeren Teleskopen) als Galaxien erweisen, viele tausend Milchstraßen, bestehend aus jeweils vielen Millionen Sternen, ein Anblick, der verdeutlicht, dass das Universum nichts anderes vorhat, als uns zu demütigen. Zwicky fand heraus, dass die Galaxien in diesem Ameisenhaufen sich zu schnell bewegen: Die Masse der sichtbaren Materie reicht bei weitem nicht aus, um den Galaxienhaufen zusammenzuhalten. Eigentlich hätte er sich schon vor Milliarden Jahren auflösen müssen – und wir könnten ihn heute nicht mehr sehen. Es muss eine Art zusätzlichen «Klebstoff» geben, die Schwerkraft der Dunklen Materie, der die Galaxien am Auseinanderfliegen hindert. Obwohl Zwicky es deutlich komplizierter formulierte, wurde seine Erkenntnis weitestgehend ignoriert. Es dauerte noch einmal fast vierzig Jahre, bis die Existenz der Dunklen Materie allgemein akzeptiert war, und seitdem hat sie Tausende Astronomen Tag und vor allem Nacht beschäftigt.
    Der Durchbruch bei der Entdeckung der Dunklen Materie kam aus der Erforschung der Rotation von Galaxien. Genauso wie sich Planeten um die Sonne bewegen, drehen sich die Sterne in einer Galaxie um das Zentrum derselben. Die Sonne zum Beispiel tut dies mit einer beängstigend hohen Geschwindigkeit von etwa 250 km/s. Dabei wird sie zum einen vom Zentrum der Milchstraße via Schwerkraft angezogen. Zum anderen erzeugt die Rotation um dieses Zentrum die nach außen gerichtete Zentrifugalkraft, von deren Existenz man leicht erfährt, wenn man mit dem Auto zu schnell in die Kurve geht. Insgesamt führt das gleichzeitige Wirken von Zentrifugalkraft und Gravitationskraft dazu, dass die Sonne weder nach innen fällt noch nach außen wegfliegt, sondern sich folgsam um das Zentrum der Galaxie bewegt, wobei die Geschwindigkeit dieser Bewegung allein durch die Verteilung der Materie in der Milchstraße

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