Liberty 9 - Todeszone
Pfund Proviant erhalten. Was sie damit machten und welches Ziel sie wählten, sollte ihnen überlassen bleiben. Aber ließen sie sich noch einmal im Liberty Valley blicken, würde man sie ohne Vorwarnung erschießen.
Und das war keine leere Drohung. Schon bald würde es in Liberty9 eine neue, durch freie und geheime Wahlen legimitierte Selbstverwaltung geben und auch eine eigene Miliz mit einem Wachdienst, gebildet aus den Reihen der einstigen Servanten und Electoren. Sie würde für die Sicherheit sorgen und dafür, dass sich keiner der Oberen oder der Guardians ins Tal zurückschlich. Senior-Servant Winslow hatte die Aufgabe übernommen, diese Miliz rasch auf die Beine zu stellen.
Mit der Freilassung der Gefangenen sollte aber erst nach einer Vollversammlung all jener begonnen werden, die hier im Tal zurückblieben. Und da keiner der einstigen Electoren und Servanten eine Chance hatte, jemals in eine Hiseci eingelassen zu werden, und ihnen somit nur das Elend der Dunkelwelt blieb, würden wohl so gut wie alle hierbleiben– bis auf die zwölf, die in der kommenden Nacht freiwillig in das Lichtschiff stiegen. Vorausgesetzt, es würden sich auch wirklich zwölf Freiwillige für dieses Himmelfahrtskommando melden. Noch fehlten drei, die bereit waren, ihr Leben für die Befreiung jener Ahnungslosen zu riskieren, denen aufTomamato Island ein baldiger Tod drohte.
» Streiten wir uns nicht um Sachen, die wir längst abgehakt haben, sondern langt zu, Freunde! « , rief Flake beschwichtigend und knallte eine große Blechkanne mit Kaffee auf den Konferenztisch. » Ich jedenfalls habe einen Mordshunger und es wird ein langer Tag werden! «
» Und vermutlich eine noch viel längere Nacht « , fügte Fling mit einem schiefen Grinsen hinzu. Sein Bruder und er gehörten zu jenen, die sich sofort und ohne Zögern für das zweite Befreiungsunternehmen gemeldet hatten. Dass Dante dabei sein würde, war von vornherein klar gewesen. Immerhin stammte der Plan ja zum größten Teil von ihm. Aber auch Carson, Kendira und Nekia hatten nicht lange überlegen müssen. Selbst Hailey hatte sich ihnen nach kurzem Zaudern angeschlossen. Was vermutlich damit zu tun hatte, dass ihr Freund Indigo sofort Feuer gefangen und seine Teilnahme erklärt hatte.
» Komm, setz dich und iss etwas « , sagte Dante zu Kendira und zog einen Stuhl für sie zurück.
» Zuerst mal wirst du dich hinsetzen und stillhalten, damit ich endlich deine Wunde im Gesicht versorgen kann! « , erwiderte sie und drückte ihn energisch auf den Stuhl hinunter. » Nichts anderes ist jetzt wichtiger! «
» Von wegen! Es gibt noch einen Haufen Dinge vorzubereiten und zu durchdenken, wenn die Sache heute Nacht glatt über die Bühne gehen soll und wir die Crew des Choppers glauben machen wollen, dass hier alles so wie immer ist! « , widersprach er, ließ sich jedoch auf den Stuhl niederdrücken.
» Keiner verlangt, dass du das Denken einstellst, während ich mich um deine Wunde kümmere! « , antwortete sie schlagfertig.
Es gab Gelächter im Zimmer.
Auch Dante lachte und blickte zu ihr auf. » Das ist leichter gesagt als getan, Kendira. Du hast etwas an dir, das es einem verdammt schwermacht, die Gedanken auf profane Dinge zu konzentrieren « , sagte er leise und mit unverhohlener Sehnsucht in seinem Blick.
Ihr Herz schien kurz auszusetzen und ein heißer Schwall flutete durch ihren Körper. » Red nicht so viel, sondern halt jetzt still! «, erwiderte sie, packte ihn am Kinn und drehte seinen Kopf zur Seite. Aber seine Worte und der Ausdruck seiner Augen wirkten in ihr nach.
Sorgfältig wusch sie ihm das verkrustete Blut vom Gesicht, säuberte behutsam die lange Schürfwunde und desinfizierte sie. Dabei ließ sie sich viel Zeit. Auch nahm sie jede Gelegenheit wahr, um ihn mit der freien Hand zu berühren. Sie strich ihm mehrmals vermeintliche, aber auch echte Haare aus dem Gesicht, obwohl überhaupt nicht die Gefahr bestand, dass sie in die Nähe der Wunde kommen konnten. Dann fuhren ihre Finger scheinbar zufällig über sein Kinn, als gäbe es dort einen Blutspritzer wegzuwischen, den sie bis dahin übersehen hatte. Und ein anderes Mal legte sie ihm ihre Hand auf die rechte Wange, um sie dort für einige lange und kostbare Sekunden liegen zu lassen, selbst nachdem sie seinen Kopf schon zum Fenster hin gewandt hatte, damit das Licht besser auf die linke Gesichtshälfte fallen konnte.
Dante sagte kein Wort und versuchte auch nicht, ihren Blick aufzufangen. Ganz still
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