Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lichtbringer - Lichtbringer

Titel: Lichtbringer - Lichtbringer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
Vom Netzwerk:
selbstgefälliges Grinsen aus dem Gesicht wischen würde. Was bildete dieser Narr sich ein? Sie war Frafa, Meisterin des Lebens, und sie konnte ihm Krankheiten und zehrende Geschwulste in den Leib setzen, ohne dass man je die Spur zu ihr zurückverfolgen konnte. Was halfen ihm seine Gesetze, wenn niemand das Verbrechen sah? Und was halfen ihm seine Waffen, wenn er nicht einmal bemerkte, wie sie zauberte?
    Frafa ließ ihren Geist ausgreifen, ertastete den Körper des Bitaners mit ihrer magischen Aura. Sie fühlte sein Leben, das Innere seines Leibes. Sie spürte Gold, transmetabolische Membranen ... Erschrocken zuckte sie zurück.
    Ihr war übel.
    Fahrig griff sie nach ihrer Handtasche, murmelte etwas Unverständliches und floh auf den Gang. Sie schlug die Tür hinter sich zu und lief einige Meter weiter, bis der Mensch sie nicht mehr sehen konnte. Dann lehnte sie die Stirn gegen die kühle Außenwand und schloss die Augen.
    Alchemistische Applikationen.
    Frafa klemmte die Ledertasche gegen den schmalen Sims vor sich und wischte sich die Hände an ihrem schillernden grünen Kleid ab. Sie hatte das Innere des Bitaners nur allzu deutlich wahrgenommen, den Zerfall, die Krankheit. Der Landaufkäufer mochte fünfzig Jahre alt sein, und er hatte schon sein Herz und seine Leber eingebüßt. Ärzte hatten sie durch künstliche Organe ersetzt. Frafa hatte auch gespürt, wie der Unrat in den Blutgefäßen sich in seinen Arterien festsetzte, die Venen sackartig erweiterte. Verklebte Lungenflügel, poröse Adern im Gehirn, Magengeschwüre ... Frafa fühlte sich so schmutzig, als wäre sie in einen Aussätzigen getaucht.
    Oder in einen Toten.
    Sie konnte nicht glauben, dass sie ernsthaft darüber nachgedacht hatte, diesen Menschen zu töten. Es waren so zerbrechliche, kurzlebige Geschöpfe, diese Menschen. Voller Krankheit, ohne dass es eines Zaubers bedurfte. Und dieser Bitaner hatte seinen Leib bereits ebenso vergiftet, wie er seine Umgebung mit Worten verschmutzte. Er war die Mühe nicht wert.
    Frafa empfand Mitleid mit dem Mann, und sie schämte sich für ihre Wut und dafür, dass sie beinahe die Beherrschung verloren hatte. Vielleicht lag sogar ein Körnchen Wahrheit in seinen Worten.
    Frafa erinnerte sich an die frühen Tage der Union, als es undenkbar gewesen war, dass Nachtalben und Bitaner im selben Abteil reisten. Damals hatten die menschlichen Bahngesellschaften kein Finstervolk in der Ersten Klasse geduldet. Frafa wäre unter ihresgleichen geblieben, unter Goblins und Gnomen und Vampiren in der Dritten Klasse, wo man ihr zumindest Respekt erwiesen hätte, nicht unter reichen und mächtigen Menschen, mit denen sie in den letzten Jahrhunderten viel zu oft verkehren musste.
    War ihr Platz bei den Völkern, die sie jahrhundertelang regiert hatte, oder bei jenen, die an der Spitze eines Volkes standen?
    Frafa blieb auf dem Gang, während der Zug durch die weite Ebene auf Daugazburg zuraste. Sie fühlte das Land dort draußen - ihr Land. Das schwache Leben im kargen Boden, vereinzelt etwas Vieh und ärmliche Weiler. Dörfer mit viel zu wenig Einwohnern ... Vor achthundert Jahren waren es Städte gewesen!
    Vor achthundert Jahren, als sie Kanzlerin von Falinga gewesen war. So lange war das her, und so oft hatte sich seither alles verändert, dass selbst die Veränderung eintönig wirkte.
    Die Bremsen kreischten. Wie von einer Riesenfaust gestoßen, wurde Frafa durch den Gang geschleudert. Sie streckte die Hände nach den Griffen aus, bekam jedoch keinen zu fassen, prallte gegen eine Abteiltür und fiel auf die Knie. Sie stieß sich den Kopf an der Heizungsleiste.
    Die Bremsen schrillten noch immer. Frafa raffte sich wieder auf. Der Schmerz in den angeschlagenen Gliedmaßen verging, ihre Prellungen heilten binnen eines Herzschlags. Schorf löste sich von einer Platzwunde, die sie sich bei dem Sturz zugezogen hatte und die schon wieder zugewachsen war. Rufe mischten sich unter das Wimmern gequälten Metalls, und vorn aus dem Zug hörte Frafa einen lauteren, gemeinschaftlichen Aufschrei aus den besser besetzten Wagen der zweiten und dritten Klasse.
    Magie zupfte am Rande ihrer Wahrnehmung, eine Aura, die nicht in diese Landschaft passen wollte. Es war Leben, ja, Leben! Leben in einer Fülle, wie sie zwischen Daugazburg und dem Scherbenpass nirgendwo zu finden sein sollte.
    Frafa tastete sich verwirrt den Korridor entlang, vorbei an einem weiteren dreisitzigen Erste-Klasse-Abteil, in dem eine Menschenfrau von ihrem Sitz gerutscht

Weitere Kostenlose Bücher