Lichthaus Kaltgestellt
Leichenfund bekannt würde, ging es erst richtig los. Auch überregional. Wenn er von Falkberg richtig verstanden hatte, würde das den Täter weiter anstacheln. Wie könnten sie ihn schnell schnappen, um einen weiteren Mord zu verhindern? Der zündende Gedanke, sein Strohhalm, kam ihm auf der Autobahn, als er das Krankenhaus in Ehrang sah. Heike Andries, die Krankenschwester. Sie kannte die Szene und vielleicht auch jemanden, der bereits vor dreißig Jahren dabei war. Sie war sofort am Telefon und hörte ihm konzentriert zu.
»Timbor, also Wolfgang Federer, erzählt immer, dass er auf Ritterevents war, als wir anderen alle noch in die Hosen geschissen haben. Entschuldigung, aber so sagt er es nun mal. Den rufe ich mal an.«
Vor Osburg bog er auf die K 82 in Richtung Thomm ab. Die Sonne hatte die Wolken vertrieben und strahlte in der klaren Luft. Sophie Erdmann hatte Recht gehabt. Der Fundort war kaum zu übersehen. Rechts von der Straße, inmitten der Felder, hatte sich der übliche Korso aufgebaut. Streifenwagen, der Bus der Spurensicherung und die Zivilfahrzeuge der Kripo. Der Weg trennte eine abgemähte Wiese von einem Maisfeld, dessen Pflanzen schon gut mannshoch waren. Rundherum nur landwirtschaftliche Flächen, Häuser konnte man von hier aus nur in weiter Entfernung erkennen. Lichthaus parkte neben der Fahrbahn und ging quer über die Wiese zu den Kollegen, die in weißen Overalls hinter den Flatterbändern arbeiteten.
Winkelmann kommandierte seine Leute herum, und Güttler beugte sich gerade zur Toten hinab, die mitten auf dem lose befestigten Feldweg lag. Sophie Erdmann und Steinrausch standen daneben, während Schweiger etwas abseits einen Mann befragte, der seinen Mischlingshund an der Leine hielt.
Als Lichthaus an ihm vorbeiging, sah er erstaunt auf und lächelte. Von Müller war nichts zu sehen. Er begrüßte kurz die Kollegen und schaute dann dem Pathologen über die Schulter, der die Tote untersuchte. Sie war vollständig bekleidet, doch unter dem T-Shirt, das Güttler nach oben geschoben hatte, ließen sich Foltermale erkennen. Wieder eine Karte des Leidens. Die Augen der Frau waren geschlossen, das Gesicht blau angelaufen und mit Erde verklebt. Die Spuren am Hals ließen darauf schließen, dass auch sie erwürgt worden war. Zwischen den blutverkrusteten und aufgeschwollenen Lippen sah man, dass die oberen Schneidezähne fehlten. Der Täter hatte ihr die Haare abrasiert, so dass sie an eine KZ-Gefangene erinnerte.
»Was hast du?«
»Bei euch bald einen Ganztagesjob.« Güttler grinste matt. »Machst du einen Ausflug?« Das Grinsen wurde breiter, doch Lichthaus ignorierte die Bemerkung. »Die Frau ist definitiv schon länger tot. Ich schätze zwei bis drei Tage. An der Kleidung kann man Larven sehen, die etwa so lange zum Schlüpfen brauchen. Was mich erstaunt, ist die Erde, die an ihr klebt. Selbst in den Mund ist ein wenig hineingerieselt, nachdem sich die Totenstarre gelöst hat. Ich denke, er hat sie irgendwo vergraben und jetzt erst hierher gebracht. Sie lag mit gefalteten Händen da, wie die andere da oben bei Farschweiler. Und auch sie ist brutal misshandelt worden. Hämatome überall. Verbrennungen, also die ganze Palette wie bei Eva Schneider. Sie wurde ebenfalls von hinten erwürgt. Die gute Nachricht: Wir haben wieder Bissspuren. Ich kann dir einen Zahnvergleich machen, dann wissen wir schnell, ob es derselbe Mann war. DNA kommt dann auch rasch, wenn die im Labor spuren.«
»Wegen der Autopsieergebnisse rufe ich dich an.« Er sprach leise, und Güttler verstand. Kaum merklich nickte er und drehte die Tote auf die Seite, um sie weiter zu untersuchen.
Lichthaus schaute Sophie Erdmann an, die sofort zu berichten begann, obwohl er sie gar nicht gefragt hatte. »Winkelmann hat Reifenspuren gefunden, die er vergleichen wird. Die Stelle, wo er sie vergraben hatte, wird schwer zu finden sein.« Sie machte eine Pause. »Was glaubst du, wieso er sie uns präsentiert? Provokation?«
»Ja. Von Falkberg hält ihn für einen Egozentriker, der total von sich überzeugt ist. Wahrscheinlich hat ihn die Aktion am Samstag geärgert, und er will uns zeigen, dass wir ihm gar nichts können. Er verhöhnt uns. Wenn wir nur die Automarke weiter einengen könnten. Ich denke …«
»Herr Lichthaus, ich wüsste nicht, was Sie hier zu suchen haben.« Müller war unbemerkt herangetreten.
Er stand, völlig fehl am Platz, im Anzug auf dem Stoppelfeld und starrte ihn aus seinem blassen Gesicht wuterfüllt
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