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Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Walz
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sich besser, war aber auch fertig.
    Otto sah ihn lange an. »Du fühlst dich schuldig?«
    Lichthaus blieb erst einmal stumm und lauschte in sich hinein. Neben der Leere, völliger Erschöpfung und Trauer war noch etwas. Nagender, dauernd präsenter Zweifel am eigenen Tun. Er hatte versucht, ihn zu unterdrücken, doch geradezu zwanghaft spulte er immer wieder seine Entscheidungen durch.
    »Ja. Ich hätte den Einsatz absagen müssen. Wir waren zu wenige. Außerdem kann ich Marx keine Schuld geben. Der ist krank. Verdammte Scheiße, das ist mir noch nie passiert.«
    »Meinst du, es gibt großen Ärger?«
    »Mir können sie nichts wollen. Scherer hat sich vollkommen falsch verhalten, und Müller mich hängen lassen.«
    »Trotzdem fühlst du dich schuldig.«
    »Ja. Und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.«
    Otto schaute zur Wand und dachte nach.
    »Lern damit zu leben. So wie ich«, begann er leise. »Als ich elf war, ist ein Junge hergezogen. Peter. Peter Ossing. Wir haben ihn nur Ossings Pittchen genannt. Sein Vater war in der Verwaltung drüben im Weingut Maximin Grünhaus. Sie wohnten direkt nebenan. Obwohl Pittchen und ich im selben Jahr geboren wurden, war er einen ganzen Kopf kleiner. Frühgeburt, haben die Frauen gesagt. Ein Einzelkind. Wir haben uns angefreundet und viel miteinander gespielt. Für Pittchen war ich bald so etwas wie der große Bruder, den er nie gehabt hat. Er saß in der Schule neben mir, machte mit mir zusammen die Hausaufgaben und half mir oft, denn er war ein guter Schüler. Draußen bei den anderen Jungs war ich sein Beschützer, da er ein richtiger Angsthase war.« Otto lächelte Lichthaus an. »Ich war der Stärkste von allen. Jedes Mal habe ich ihn rausgehauen, wenn die anderen ihn gehänselt haben oder eine Mutprobe anstand. Er war wirklich wie ein kleiner Bruder.«
    Otto schaute auf das dunkle Fenster, ohne etwas zu sehen, und stieg in die Vergangenheit. Siebzig Jahre zurück, und als Lichthaus sein Gesicht sah, wusste er, dass die Bilder für den Alten schlimm sein mussten. Es fiel ihm schwer weiterzureden. Er atmete tief ein.
    »Ich habe das bis jetzt niemandem erzählt, aber vielleicht hilft es dir ja.« Er zögerte. »Oder mir. Na, egal. Eines Tages im Sommer ’36 sind wir hinter Hüsters Mühle ans Ende des Mühlteichs gegangen. Die Ruwer war aufgestaut worden, und es hatten sich große Becken gebildet, wo das Wasser tief war und man toll schwimmen konnte. Wir waren wohl sieben Jungs. Alle sind geschwommen und hatten Spaß, bis Heins Willi, der ist dann 1944 gefallen, auf die Idee kam, von einem Ast aus hineinzuspringen. Nur Pittchen hatte wieder Angst, und die anderen haben ihn ausgelacht, als er da oben saß und nicht gesprungen ist. Ich sehe ihn noch, wie er da hing.« Otto seufzte.
    »Die schwarze Badehose vom Jungvolk war ihm viel zu weit und schlotterte an seinem dünnen Körper. Er hielt sich krampfhaft an den Ästen fest und schaute mich an. Voller Angst. Wie zwei braune Rehaugen. Sag was, schrien sie mir zu. Sag, dass ich nicht springen muss. Sie flehten richtig, doch ich war still. Hielt den Mund. Bockig wie ein dummer Esel. Soll er sich doch mal überwinden oder selbst aufgeben, hab ich mir damals gesagt. Die anderen johlten. Hasenfuß, Hasenfuß. Ein Wort hätte genügt, und alles wäre gut gewesen, aber ich schwieg. Er hat sich schließlich abgewendet. Enttäuscht über mich, alleingelassen.« Er machte eine Pause, bevor er weitersprach.
    »Wie versteinert hat er nach unten aufs Wasser gestarrt und zum ersten Mal gekämpft. Er ist schließlich auch hinunter, doch genau wie einer, dem die Angst im Nacken sitzt. Ohne Schwung, Beine und Arme ungelenk von sich gestreckt ist er kopfüber runtergeknallt. Ich habe sofort gesehen, dass er zu dicht am Ufer war, und bin rein, bevor er wieder hochkam, um ihn an Land zu ziehen. Die anderen machten noch Witze. Als ich ihn rauszog, war Pittchen voller Panik, die Augen weit aufgerissen. Er konnte sich nicht mehr bewegen, sein Rückgrat war am Hals gebrochen. Das wussten wir aber noch nicht. Zwei sind los und haben einen Leiterwagen geholt, während ich bei ihm blieb.« Wieder schwieg er einen Moment.
    »Ich hielt seinen Kopf auf meinem Schoß. Er sagte nichts, sondern sah mich nur an. Anklagend, voll tiefster Enttäuschung. Ich habe den Wagen fast allein gezogen. Vorneweg, um ihn nicht ansehen zu müssen. Bin gerannt wie ein Irrer, mehr um vor meiner Schuld wegzulaufen, als alles andere. Bis zum Ruwerer Krankenhaus unten, da

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