Lichtlos 1 (German Edition)
ihre gegeben. Aber ihre Geheimnisse behält sie für sich.
Das Stoppschild steht an einer Kreuzung mit einer zweispurigen Landstraße, die parallel zur Schnellstraße verläuft. Annamaria biegt nach links ab und fährt auf eine Tankstelle zu, die sogar in diesen einsamen Stunden vor dem Morgengrauen geöffnet ist, Benzin von einer Billigmarke anbietet und einen Automechaniker auf Abruf bereitstehen hat.
Statt Unmengen von Zapfsäulen wie an manchen Fernfahrerraststätten hat diese Tankstelle nur vier Zapfsäulen auf zwei Inseln. Im Moment ist keine der Säulen in Benutzung.
Das weiß verputzte Gebäude mit dem Flachdach aus den Dreißigerjahren weist Art-déco-Details auf, darunter einen Stuckfries im Schein der Lampen in dem Mauervorsprung. Das Rasthaus ist malerisch, ein kleines architektonisches Juwel aus einer Zeit, zu der selbst bescheidene Gebäude oft kunstvoll entworfen und ausgeschmückt wurden. Es ist in einem tadellosen Zustand, und das warme Licht in den Scheiben der Glastüren wirkt auf einen durchschnittlichen Reisenden einladend, doch mich bezaubert nichts hier.
Manchmal flüstert mir die Intuition etwas zu, aber sie wird selten laut. Jetzt allerdings entspricht ihre Stimme einem Schrei, der mir eine Warnung zukommen lässt, obwohl dieser Ort das Auge erfreuen könnte, läge etwas Furchtbares unter der attraktiven Oberfläche verborgen.
Auf dem Rücksitz knurrt Raphael wieder leise.
Ich sage: »Hier gefällt es mir nicht .«
Annamaria nimmt es gelassen hin. »Wenn es dir hier gefiele, junger Mann, dann gäbe es keinen Grund für uns, hier zu sein .«
Ein Abschleppwagen steht neben der Tankstelle. Eines der beiden Rolltore ist oben, und selbst um diese Uhrzeit arbeitet ein Mechaniker an einem Jaguar.
Ein schick gekleideter Mann mit einem dichten silbernen Haarschopf – vielleicht der Besitzer des Jaguars, der möglicherweise erst kürzlich vom Seitenstreifen der Schnellstraße abgeschleppt wurde – steht da, sieht dem Mechaniker zu und trinkt Kaffee aus einem Pappbecher. Keiner von beiden blickt auf, als wir an ihnen vorbeifahren.
Drei Sattelschlepper – ein Mack, ein Cascadia und ein Peterbilt – sind auf der anderen Seite der Tankstelle geparkt. Diese gründlich polierten Trumme scheinen in Eigenbetrieb zu sein, denn sie sind individuell lackiert und mit diversen Chromteilen, Doppelhumpfelgen und dergleichen nachgerüstet.
Bei einem langen, niedrigen Gebäude hinter den Sattelschleppern scheint es sich um einen Diner zu handeln, in einem Stil, der zur Tankstelle passt. Das Esslokal kündigt sich mit roter und blauer Neonschrift auf dem Dach an: HARMONY CORNER /24 STUNDEN GEÖFFNET . Zwei Pick-ups und zwei Geländefahrzeuge stehen vor dem Diner, und als Annamaria dort parkt, fallen die Scheinwerfer des Mercedes auf ein Schild, das uns informiert, wenn wir einen Bungalow mieten wollten, sollten wir uns drinnen erkundigen.
Der dritte und letzte Bestandteil dieses Unternehmens, zehn kleine Bungalows, befindet sich hinter dem Restaurant. Die Einheiten sind bogenförmig angeordnet und liegen geschützt unter ausgewachsenen Pohutukawas, auch Neuseeländische Weihnachtsbäume genannt, und anmutigen Akazien, die von einem weichen Licht angestrahlt werden, das ihnen etwas Märchenhaftes verleiht. Es scheint sich um ein Motel aus den frühen Zeiten der Automobilreisen zu handeln, einen Ort, an dem Humphrey Bogart mit Lauren Bacall unterschlüpfen und schließlich in eine Schießerei mit Edward G. Robinson verwickelt werden könnte.
»Sie werden zwei Bungalows verfügbar haben « , sagt Annamaria voraus, während sie den Motor ausschaltet. Als ich meine Tür öffnen will, sagt sie: »Nein. Warte hier. Wir sind nicht weit von Magic Beach. Für dich könnte ein Fahndungsaufruf ausgegeben worden sein .«
Nachdem ich gerade erst vor wenigen Stunden die Übergabe von vier Thermonuklearwaffen an Terroristen verhindert hatte, hatte ich das Büro des FBI in Santa Cruz angerufen, um zu melden, dass sie zwischen den gebrauchten Kleidungsstücken in einem Sammelcontainer der Heilsarmee in Magic Beach vier Bombenzünder finden könnten. Sie wissen, dass ich keiner der Verschwörer bin, aber sie sind trotzdem begierig darauf, mit mir zu reden. Was das FBI angeht, ist heute der große Abschlussball, und sie wollen nicht, dass ich mit jemand anderem als ihnen nach Hause gehe.
»Sie kennen meinen Namen nicht « , versichere ich Annamaria. »Und sie haben kein Foto von mir .«
»Sie könnten eine gute
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