Liebe

worauf Ihre Seele noch orientiert ist. Sie müssen sich als Hauptaufgabe stellen, die Liebe in der Seele zu vergrößern, d. h. innere Vorwürfe müssen verschwinden.“
    Doch alle meine Erklärungen trafen auf taube Ohren, und ich konnte die Ursache nicht finden. Vor einigen Tagen hatte ich das Gefühl, einen Durchbruch erreicht zu haben, und wir trafen uns erneut. Ich teilte ihm mit, dass er eine Orientierung auf Grundwerte hat: Zeugung, Kreativität, Schaffen — alles das, was Eifersucht hervorruft. Und Vollkommenheit, die sehr große Selbstsucht bewirkt. Er hörte mir ruhig zu, und dann begann er, langsam und gemessen darauf zu antworten.
    „Sie behandeln mich seit anderthalb Jahren, und in dieser Zeit hat sich mein Zustand nicht gebessert, sondern sogar verschlechtert. Ich glaube nicht an Ihr System und Ihre Methode. Von Ihnen als Mensch habe ich keine schlechte Meinung, doch Ihr System ist ein Bluff. Ich glaube an Gott, doch warum soll ich tausendmal wiederholen, dass ich ihn liebe und dies das höchste Glück ist? Und warum darf ich gegenüber der Umwelt keine Vorwürfe erheben? In diesem Land kann der Mensch nicht glücklich sein. Hier waren immer entweder Idioten oder Schurken an der Macht. Dieses Land hat seine besten Köpfe immer unterdrückt und macht das heute noch, unabhängig von der politischen Ordnung.“ Sein Ton wurde ruhiger. „Ich habe nichts gegen Sie persönlich, aber die Behandlung wollen wir vergessen.“
    Nachdem er gegangen war, versuchte ich zu ergründen, was bei ihm solche Unversöhnlichkeit hervorgerufen hatte. Immer wieder stieß ich auf dieselbe Struktur, die ich gespürt hatte — die Vollkommenheit. Doch der Patient lehnte es ab, mir zuzuhören. Für ihn war die Welt schon immer unvollkommen. Die in diesem Fall aufkommende Verachtung verwandelte sich in ein sehr starkes Selbstvernichtungsprogramm. Diesmal hatte ich verloren, doch auch eine solche Situation ist lehrreich: Im Buch kann ich detailliert beschreiben, wie ich die zu Gott führenden Stufen hinauf schreite. Es ist meine Aufgabe, sie empor zu schreiten. Der Patient aber muss das Endziel sehen, ich muss ihm nicht die Stufen, die er geht, detailliert beschreiben. Ich aber habe mich hinreißen lassen und mehr über die Stufen als über die Liebe, zu der er gelangen muss, erklärt.

    Aus Kiew ruft eine Frau an, die in meiner Sprechstunde gewesen war.
    „Nach der Sprechstunde tat mein ganzer Rücken weh. Es setzten akute Schmerzen ein. Ich weiß nicht, ob das sein muss.“
    Ich betrachte ihr Feld. Es sieht nicht schlecht aus. Jedoch die Enkel und Urenkel sind „belastet“.
    „Was haben Sie denn für Probleme?“
    „Ich habe Krebsgeschwüre im Kopf, in der Kehle und in der Brust. Und mein Sohn hat große gesundheitliche Probleme.“
    Ich betrachte gründlich die Feldstrukturen. Die Patientin arbeitet nicht schlecht an sich, doch große Aggression gegenüber Männern bleibt bestehen.
    „Habe ich mit Ihnen über Eifersucht gesprochen?“
    „Ja, das haben Sie. Ich arbeite daran. Morgens, tagsüber und abends bete ich.“
    „Hören Sie“, schreie ich in den Hörer. „Beten müssen Sie dreihundert Mal morgens, ebenso oft tagsüber und abends, denn gegenwärtig kommt der ganze ,Unrat’ aus der Seele, mit drei Gebeten werden Sie ihn nicht überwinden. Erinnern Sie sich nicht an Kleinigkeiten, erinnern Sie sich an einige Hauptereignisse und gehen Sie diese wiederholt, Hunderte Mal durch. Sie müssen wissen: Selbstverurteilung ist Selbstgeißelung. Vor Gott gibt es keine Schuldigen. Haben Sie mich verstanden?“
    Die Stimme der Frau lässt spüren, dass sie mich verstanden hat.

    Einige Monate vor meiner Abreise nach Amerika befand ich mich in einem quälenden Zustand. Wie viele Orientierungen ich auch beseitigte, es tauchten immer wieder neue auf. Ich ähnelte einem Tümpel, der trotz aller Reinigungsmaßnahmen schmutzig blieb. Mein System war in eine Sackgasse geraten. Und ich reinigte mich im Wesentlichen durch Reue. Dann begriff ich in einer der quälenden Minuten, dass Reue ins Gebet und das Gebet in das Gefühl der Liebe, das ausstrahlt und von nichts abhängig ist, übergehen muss, d. h. der Tümpel muss zur Quelle werden. Doch einer Quelle gleichkommen kann man nur dann, wenn ständig reines Wasser zuströmt, und das geschieht, wenn die Seele unablässig zu Gott strebt. Sobald der Mensch etwas anderes zum Ziel macht, beginnt er, davon abhängig zu werden. Diese Abhängigkeit ruft immer größere Aggression und