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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf die Bettkante preßte.
    »Ich bin verrückt!« sagte Bodmar mehrmals in dieser Nacht, wenn er schweißgebadet im Bett saß. »Ich bin verrückt! Ich habe den Verstand verloren. Dieses Land ist wie ein Vampir … man verliert sein Blut an ihn und ist noch glücklich dabei. O Gott, ich hin total verrückt –«
    Er sprang aus dem Bett, zog sich an und sah auf seine Armbanduhr.
    Drei Uhr morgens.
    Im Osten, in den riesigen Steppen Kasakstans, wanderte der Morgen aus dem Tal der Nacht. Der Himmel war dort fahl wie ein ausgebleichtes Kopftuch. Es regnete nicht mehr. Der Wind schien warm zu sein. Von fern zog das Brausen des Don über das Land. In ein paar Tagen, wenn die Sonne glühte und die Wasser sich verlaufen hatten, würde man ihn nicht mehr hören. Dann war er breit und träge, Vater und Mutter dieses Landes, fließender Beweis der Ewigkeit.
    Bodmar verließ das Zimmer Njuschas und ging in die Wohnstube.
    In der ›schönen Ecke‹ brannte eine kleine Tischlampe. Das Licht war gedämpft durch einen Schirm aus Zeitungspapier. Evtimia hatte ihn selbst gefaltet und war stolz auf ihn. Wenn die Lampe schien, durchleuchtete sie das Foto der Oper von Charkow. Gab es etwas Schöneres?
    Njuscha saß auf der Bank und sah Bodmar entgegen, als habe sie auf ihn gewartet. Sie hatte einen großen Schal um die Schultern gehängt und unter den Brüsten mit einem Gürtel zusammengebunden. Ihr Haar hing wie ein Vorhang vor ihren Augen.
    »Du schläfst nicht?« sagte Bodmar leise. Er blieb an der Tür stehen.
    »Warum bist du wach?« fragte sie zurück.
    »Mein Kopf platzt vor Gedanken.«
    »Und mein Herz hört nicht auf, sich wie toll zu benehmen. Ich konnte nicht mehr liegen.«
    »Ich auch nicht, Njuscha.« Er kam näher und setzte sich neben sie. »Der Himmel wird schon grau«, sagte er, als sie schwieg. »Wenn dein Vater jetzt aufwacht …«
    Sie lächelte schwach und schüttelte den Kopf. »Sie schlafen wie die Biber«, sagte sie. »Aber um sechs Uhr springt Mamuschka auf. Es ist, als habe sie einen Wecker im Kopf.« Sie nahm seinen Arm und drehte sein Handgelenk nach oben. »Noch drei Stunden, wenn deine Uhr nicht lügt.«
    »Noch drei Stunden –«
    Sie schwiegen wieder und sahen sich stumm an. Sie sprachen mit den Augen, und es war eine Zärtlichkeit, für die es keine Worte mehr gibt.
    »Erzähle etwas«, sagte Njuscha und lehnte den Kopf an Bodmars Schulter. Er wischte den Vorhang ihrer Haare weg – und küßte sie auf die geschlossenen Augen.
    »Was soll ich erzählen, Njuscha?«
    »Ein Märchen. Ja, erzähle ein Märchen. Wir leben in einem Märchen, Sascha …«
    »Sag das noch einmal –«
    »Was?«
    »Das Wort. Es klingt so wunderbar.«
    »Sascha –«
    Bodmar lehnte sich zurück. Das Glück machte ihn wehrlos. Sascha … dachte er. Wie es aus ihrem Mund klingt. Man kann in einem Wort baden. Sascha – und alles fällt von einem ab. Aller Dreck, aller Ballast, alle verdammte Nüchternheit. Man ist sauber wie eine Federwolke im Sommer. Sascha … wie man in ein Wort eintauchen kann –
    »Es war einmal ein kleiner armer Zwerg«, begann er sein Märchen, »der lebte in einer großen Stadt an einem breiten Fluß, und keiner beachtete ihn, weil er als Zwerg niemandem auffiel, denn alle Leute suchten nur die Riesen. Dieser Zwerg –«
    Njuschas Hand legte sich über Bodmars Mund. Er küßte die Handfläche und schwieg.
    »Das ist ein trauriges Märchen«, sagte sie. »Ich will ein fröhliches hören. Soll ich erzählen, Sascha?«
    »Ja, Njuscha, erzähle.«
    »Es war einmal ein Prinz, der kam in ein fremdes Land und verirrte sich eines Tages in eine Hütte, in der ein armes Mädchen lebte, das Vieh fütterte, die Pferde striegelte, die Schweine trieb und den Hühnern Mais streute. Wie eine neue Sonne erschien der Prinz in der Hütte –«
    »Njuscha –«
    Bodmar griff in ihr goldenes Haar und zog ihren Kopf zu sich heran. Sie schmiegte sich an ihn, und als sie die Arme um seinen Nacken legte, löste sich der Schal aus dem Gürtel, und ihre Brüste brachen hervor und waren wie ein geöffnetes Tor zu ihrem Herzen.
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte sie leise. »Ich wußte nicht, wie du aussiehst, woher du kommst, wer du bist, wann du zu mir findest … ich wußte nur eins: Einmal wirst du hier sein. Ich habe es dem Don gesagt … du kannst ihn fragen. Er wird kommen, habe ich zu ihm gesagt. Großer Don … er wird kommen. Und nun bist du da –«
    Das Morgenlicht überflutete den Himmel, aus der Steppe stiegen die

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