Liebe am Don
Lerchen auf, und die regendurchtränkte Erde duftete nach Thymian und Wermut, während sie sich küßten, sich mit den Händen abtasteten, die Finger über ihre Körper gleiten ließen und sich mit allen Nerven in sich aufnahmen. Sie waren stumm vor Seligkeit. Er legte seinen Kopf zwischen ihre Brüste und atmete die Süße, die aus ihren Poren drang, wie Honigduft der Kirschblüten.
Njuscha hielt den Atem an und lauschte auf das Klopfen seines Herzens, über das sie ihre Hände gefaltet hatte. Sie dachte an Granja und die Tage, die nun unweigerlich kommen würden. Tage voller Haß und mitleidlosen Kampfes. Tage voller Klagen von Evtimia und heiseren Brüllens von Kolzow.
Wie soll das alles werden? fragte sie sich. Wegziehen sollte man, mit ihm gehen in die Ferne, ganz gleich wohin. Aber so einfach war das nicht. Sascha blieb nicht in Rußland – er war ein Deutscher!
»Es ist Morgen«, sagte sie leise und hob seinen Kopf aus ihren Brüsten empor. »Wir müssen in unsere Kammern gehen. Oh, ich liebe dich, Sascha, ich liebe dich –«
Noch einmal küßten sie sich, als gehe die Welt unter. Dann rissen sie sich voneinander los, Njuscha stopfte den Schal zurück in den Gürtel und rannte hinüber in das Schlafzimmer. Wie betrunken schwankte Bodmar in seine Kammer, warf sich rücklings auf das Bett und lag da wie gelähmt, überwältigt von seinem Gefühl und erschreckt von der Erkenntnis der Folgen.
Um sechs Uhr stand Evtimia auf, wie jeden Morgen. Hustend und Schleim spuckend schlurfte sie zum Herd, entfachte das Feuer, holte Wasser draußen aus dem Brunnen, setzte den Kessel auf und begann, mit dem Birkenbesen die Stube auszufegen.
Bodmar blieb liegen und lauschte auf alle Geräusche im Haus. Überall krähten jetzt die Hähne, in verschiedenen Tonlagen, auf der Straße ratterte ein Traktor vorbei, und einige Männerstimmen riefen sich etwas zu. Dann kam auch Dimitri Grigorjewitsch ins Zimmer und suchte nach seinen Reitstiefeln. Er fluchte, beschimpfte Evtimia, die furchtlos zurückkeifte und mit dem Besen nach ihm schlug.
Das schien zur morgendlichen Gymnastik zu gehören, denn als Bodmar ins Zimmer kam, begrüßte ihn Kolzow mit ausgebreiteten Armen und rief: »Welch ein schöner Tag, Gospodin! Die Sonne brennt, als sei es Sommer. Ich glaube, wir haben die Schlechtwetterperiode hinter uns.«
Wenig später erschien auch Jelena Antonowna. Sie hatte aus dem Koffer ein Kleid gewählt, das hier in der Steppe am Don soviel Aufsehen erregen mußte wie ein schwarzer Zwerg. Kolzow blieb der Mund offen. Diese Städter, dachte er. Eigentlich sind sie schamlos. Wer läuft mit einem Kleid herum, aus dem die Brüste fast herausfallen? Und bis ans Knie nur reicht der Rock, ach was, eine Handbreit noch höher. Den Beginn der Schenkelchen sieht man deutlich. Will sie so zur Kolchose reiten? Soll ich sie in diesem Aufzug durch die Sowchose führen? Die Kerle kippen ja vor den Traktoren, wenn sie erscheint.
Er verdrückte sich ins Schlafzimmer und winkte Evtimia heran.
»Wie bringe ich ihr bei, daß sie sich anders anzieht?« flüsterte er. »Ich habe keine Ahnung, wie man diesen Frauen so etwas sagt.«
»Leg ihr eine Hose und einen Pullover hin«, meinte Evtimia, »Sie wird's schon begreifen.«
Genauso war's. Jelena verstand Kolzow sofort, als dieser verlegen grinsend die alte Hose und einen weiten, grauen Pullover anbrachte und auf die Bank legte. »Es reitet sich besser damit«, sagte er. »Ganz schön wehen wird es bei einem Galopp, und die Lungen sind empfindlich …«
Zwischen Jelena und Njuscha herrschte der Zustand eines luftleeren Raumes. Sie sahen sich, aber sie verschwendeten keinen Ton mehr füreinander. Um Bodmar aber entbrannte ein stiller, verbissener Kampf.
Evtimia schenkte ihm den Tee ein, Jelena schmierte ihm das dunkle Bauernbrot, Njuscha rückte ihm die Tontöpfe mit Honig und Marmelade hin und schlug ihm sogar das Ei auf, das Kolzow auf einem Holzteller heranbalancierte.
»Ich sattle die Pferde«, sagte Njuscha, als das Morgenmahl vorüber war und Bodmar und Jelena eine Zigarette rauchten, während Kolzow seine Pfeife stopfte und dazu ein Gemisch aus seinem Tabaksbeutel holte, das weniger wie Tabak, vielmehr wie Sägespäne aussah. »Ich nehme Fjodor, Fifa und Ljuba …«
»Du reitest nicht mit?« fragte Bodmar.
»Nein.«
Sie gab keine weiteren Erklärungen und rannte aus dem Haus. Jelena blickte ihr mit flammenden Augen nach.
Eine Stunde später ritten Kolzow, Bodmar und Jelena davon. Dimitri
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