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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seite herunterhingen, und so trug ihn sein Gäulchen durch das schlafende Perjekopsskaja über die Steppe nach Hause, zum Eingang der Kolchosverwaltung. Dort glitt er aus dem Sattel, preßte das Gesicht gegen die warme, feuchte Brust seines Pferdes und weinte laut.
    So wird ein Haß geboren, der alle Grenzen der Vernunft sprengt.
    *
    Bodmar kam ins Haus zurück, als habe er draußen nur Luft geschöpft. Njuscha war durch den Hintereingang in ihr Zimmer geschlüpft und zog das aufgerissene Kleid aus.
    »Haben Sie Njuscha nicht gesehen?« fragte Kolzow, als Bodmar wieder auf der Bank Platz nahm.
    »Ich nehme an, sie begleitet Granja noch ein Stück.« Bodmar sagte es mit ruhiger Stimme. Er wunderte sich, wie glatt das ging, obwohl in ihm ein Aufruhr tobte wie das Donnern einer Sturmflut gegen das Land. Die Küsse Njuschas, ihr warmer, an ihn gepreßter Körper, ihre hinausgeschriene Liebe durchzogen ihn wie ein süßes Gift. Er hatte große Lust, sich das Hemd vor der Brust aufzureißen und allen das Klopfen seines Herzens zu zeigen.
    »Habt ihr schon so etwas gesehen?« hätte er schreien können. »Kommt, legt die Hände drauf. Fühlt ihr, wie es hüpft? Es bricht aus seinen Adern aus, es sprengt mir die Brust, es zerreißt mir die Rippen!«
    Er schielte zu Jelena Antonowna und begegnete ihrem forschenden Blick.
    Was steht uns noch bevor, dachte er erschrocken. In welch ein höllisches Paradies bin ich gekommen?
    Auf den Spuren meines Vaters wollte ich dieses Land durchgehen und nüchtern darüber berichten. ›Der Weg einer verratenen Generation‹, so sollte die Artikelserie heißen. Ein Bericht der Söhne, die ihre Väter nicht mehr verstanden.
    Bodmar wandte den Blick von Jelena, als könne sie in seinen Augen seine Gedanken lesen.
    Ich habe mich selbst verraten, dachte er. Ich habe mich in dieses Land geworfen wie einen Samen in eine Ackerfurche. Es ist schrecklich, aber es ist die Wahrheit: Rußland hat mich aufgesaugt. Ich bin ein Wassertropfen im Don –
    Njuscha kam zurück, in einem neuen Kleid, verändert und von einer Schönheit, die von innen strahlte. Sie trug ein blaues Kosakenkleid, mit bunten Borden besetzt, halbhohe Stiefel und einen roten Schal um den Hals. Das lange blonde Haar hatte sie aufgesteckt wie eine Krone.
    »Oha!« sagte der alte Kolzow, dann schwieg er. Evtimia Wladimirowna, die Mutter, zwinkerte mit den Augen. Wenn ein Mädchen sich, nachdem es seinen Bräutigam begleitet hat, umzieht, dann ist etwas Natürliches und Schönes geschehen. Das Kleidchen ist zerknautscht oder gar schmutzig am Rücken – was, mein Liebling? Und glühen nicht die Wangen vor Glück? Gott segne dich, mein Töchterchen. Das Leben ist kurz, und auch die Liebe läßt nach. Sieh dir Dimitri Grigorjewitsch an, dein Väterchen. Ein fauler Kohlkopf ist er geworden, der Alte. Aber vor dreißig Jahren lief er den Weibern nach wie ein Kater.
    »Hast du Granja gut weggebracht?« fragte Evtimia voll mütterlicher Diplomatie. Njuscha nickte. Sie holte einen neuen Krug mit Kwass, aber der alte Kolzow winkte ab.
    »Gehen wir ins Bett«, sagte er und klopfte seine Pfeife aus, blies den Müll vom Tisch und stand auf. »Ich will Ihnen morgen die Pferdeherden zeigen, Gospodin. Ein Anblick ist das, sage ich! Das Herz wird wie ein Ballon, so voll und leicht. Können Sie reiten?«
    »Ja.« Bodmar stand ebenfalls auf. »Wie ein normaler Mensch, nicht wie ein Kosak.«
    »Haha! Er hält uns nicht für normale Menschen!« schrie Kolzow und lachte. »Recht hat er! Es gibt Tiere, Pflanzen, Erde und Menschen – und Kosaken! Als Gott die Welt schuf – ich erzähle das nur als Märchen, denn wer glaubt denn noch an Gott, nicht wahr, der Kommunismus hat uns ja die Augen geöffnet – also, als Gott die Welt schuf und über die Steppe von Rostow bis Woronesch blickte, da war sie zwar voller Pferde, aber keiner war da, der sie bändigen konnte. Legen wir noch einen Tag der Schöpfung drauf, sagte Gott, aber heimlich, damit nichts davon in der Bibel steht. Und am siebten Tag, wo man ruhen soll, wie allgemein bekannt ist, schuf Gott in Schwarzarbeit den Kosaken. Und weil er Ruhe hatte und keiner ihn störte und niemand wußte, daß er am Sonntag arbeitete, wurde es das Beste, was Gott geschaffen hatte. – Verstehen Sie jetzt, Gospodin, warum die Kosaken besondere Menschen sind?«
    Kolzow klopfte Bodmar auf den Rücken, so wie man ein Pferd tätschelt. Dann blinzelte er Jelena zu und blickte an ihr herunter mit dem forschenden Blick eines

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