Liebe auf Arabisch
begegneten. Nun wusste ich auch, dass den Marokkanerinnen unter den saudischen Frauen tatsächlich ein verdammt schlimmer Ruf vorauseilte, in deren Augen meine Landsfrauen allesamt käufliche, männermordende Pflanzen der verruchtesten Sorte waren.
»Wie sind Sie überhaupt Stewardess geworden?«, fragte Farah, die Rothaarige mit den lachenden Augen.
»Ich sage alles«, rief ich Joumana zu, »unter der Voraussetzung, dass du mir deine Freundinnen vorstellst.«
»Ah, wie konnte ich«, entschuldigte sich die Hausherrin sofort, »ich habe meine Pflichten vernachlässigt.«
Ohne aufzustehen, zeigte sie mit der Hand auf jede
ihrer Freundinnen, und zu ihren Namen und Gesichtern gesellten sich nun zum ersten Mal einige persönliche Details: Soha, verheiratet mit einem wohlhabenden Teppichhändler, drei Kinder. Farah, Bankierswitwe und Mutter eines Sohnes. Salma, Frau eines Geschäftsmanns, zwei Kinder. Was Joumana anging, wusste ich bereits, dass sie die Frau eines Staatssekretärs und seit acht Jahren Mutter von Zwillingen war.
Wenig später, mit Ankunft einer weiteren jungen Frau, war die Runde komplett:
»Meine Nichte«, erklärte Joumana. »Sie kommt aus Riad und möchte ihr Studium hier in Dschidda beenden. Sie studiert an der Dar al-Hikma-Universität.«
Die junge Studentin hatte runde Pausbäckchen und einen schönen unschuldigen Blick. Mir fiel sofort auf, wie ähnlich sie ihrer Tante sah, beide waren schmal und hatten Mandelaugen, nur hatte die Nichte keine kurzen Haare, sondern trug zwei lange schwere Zöpfe. Als ich mich erhob, um sie zu begrüßen, fiel das Foto aus meiner Handtasche, auf das sie sich sofort stürzte.
»Ist er verheiratet?«, fragte sie.
Also wirklich!
»Was kümmert’s dich?«, rief Farah. »Du schaffst es ja noch nicht einmal, zwei Worte mit deinem heißgeliebten Nachbarn zu wechseln, da solltest du besser nicht nach Männern aus anderen Ländern gieren!«
Das junge Mädchen schmollte und machte sich sogleich wieder davon. Ich hörte, wie sie eine Treppe hinaufstieg und eine Tür öffnete.
»Sie kommt keine zwei Minuten ohne ihren Schatz aus«, seufzte Joumana.
Ich guckte erstaunt.
»Natürlich im Internet.«
»Aber wenn sie Nachbarn sind …«, entgegnete ich.
»Das spielt keine Rolle, keine Frau hat das Recht, mit einem Mann zu sprechen, der nicht mit ihr blutsverwandt ist, das wisst ihr doch«, sagte die schüchterne Salma an uns alle gerichtet, mit vorwurfsvollem Unterton.
Und so begann eine Freundschaft, in der noch so manches Geheimnis geteilt werden sollte.
Wie ich Stewardess geworden bin
»Solange ich denken kann, wollte ich schon immer … Anwältin werden.«
Mit diesen Worten begann meine Erzählung für Joumana und ihre Freundinnen. Sie wollten wissen, warum ich Stewardess geworden war. Mehr als irgendwo sonst auf der Welt schien gerade dieser Beruf ihre Fantasie zu beflügeln, für sie stand er an der Spitze des weiblichen Exhibitionismus, war der gewagteste legale Schlag gegen jegliche Moral. Nachdem mir klargeworden war, wie tief all diese Vorurteile in ihnen verwurzelt waren, begann ich mich zu fragen, warum sie sich weiterhin mit mir abgaben.
Ich wehrte mich entschieden dagegen und erklärte, dass es, wenn ich meine Uniform anzog, nicht meine Absicht war, möglichst viele Männer abzuschleppen, dass es mir nicht um Schweinereien ging, sondern darum, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Während Joumana und ihre Vertrauten mit großen Augen einer Geschichte lauschten, die für jede andere Frau völlig durchschnittlich gewesen wäre – außer eben für eine Frau vom Golf –, wurde mir immer bewusster, dass ich in die Rolle einer gewissen, wohlbekannten Erzählerin schlüpfte …
Dabei habe ich die Wahrheit gesagt. Tatsächlich wollte ich mein Leben lang Anwältin werden, einfach um die ganzen Schwachköpfe aus meinem Viertel hinter Gitter zu bringen, Tyrannen und Hochstapler, die sich uns gegenüber,
den Menschen aus den Vorstädten von Casa, wie die großen Gangster aufspielten.
An mangelnder Bildung lag es übrigens nicht, ich habe genau so viele Universitätsabschlüsse an der Wand wie Lippenstifte in der Schublade. Leider erweisen sich geschminkte Lippen in Marokko immer wieder als vorteilhafter bei der Jobsuche als ein Diplom, was der chronischen Arbeitslosigkeit geschuldet ist, aber auch der alten Leier: »Sie können mir doch nicht erzählen, dass diese Frau es fertigbringt, ein anständiges Plädoyer zu halten oder einen großen Prozess zu
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