Liebe auf Arabisch
besucht zu werden, auch wenn das gleiche Blut durch unsere Adern fließt. Das hat mir ihre Mutter mitgeteilt. Ich ließ ihr ebenfalls eine Nachricht überbringen: »Sag ihr: Gott allein weiß, welche Vergangenheit wir in unseren Herzen tragen.«
Fouad fliegt wieder für Royal Air Maroc und schaut von Zeit zu Zeit in meinem kleinen Schmuckgeschäft auf dem Basar vorbei.
Ich führe nun ein ruhiges Leben. An meine Vergangenheit erinnert mich meine Uniform, die als Wappen den Adler des Königreiches trägt und die auf einem Bügel in den Tiefen meines Kleiderschrankes hängt. Ab und an hole ich sie hervor, um sie einigen Freundinnen zu zeigen, von denen manche davon träumen, Stewardess zu werden. Darüber hinaus gibt es nicht viel, was mich an die vergangenen Jahre erinnert. Ab und zu treffe ich zufällig auf einen Kollegen oder es kommt vor, dass ich mit dem Flugzeug reise, wo ich die Veränderungen beobachte, die sich unter dem Bordpersonal breitmachen. Ich rege mich über Stewardessen auf, die endlos mit den Passagieren herumtratschen und in der Kabine in Lachanfälle ausbrechen, die keinen Respekt mehr vor diesem Beruf haben. Oder über Stewards, deren Durchsagen man nicht
versteht und die es nicht mehr nötig haben, einer Dame dabei zu helfen, ihren Koffer ins Gepäckteil zu wuchten. Und manchmal nutze ich mein früheres Arbeitsverhältnis, um einen Platz in der ersten Klasse zu bekommen oder einen Koffer mit Übergewicht einzuchecken.
Nur die Telefonate mit meinen Freundinnen aus Dschidda versetzten mich zurück in die Vergangenheit. Oder die Geschenke, die sie mir zur Hochzeit und zur Geburt meiner beiden Babys geschickt haben. Abgesehen von Joumana nennen sie mich jetzt Umm Samir, nach meinem Erstgeborenen, wie es der saudische Brauch will.
Und mir bleiben meine Erinnerungen. Nicht nur die, von denen ich berichtet habe, sondern auch viele weitere, weniger intime, die ich im Kreis meiner engen Verwandten und Freundinnen häufig zum Besten gebe. Denn ich weiß genau, dass, wenn die Männer Karten spielen gehen und wir Frauen beieinander sitzen, um zu quatschen, irgendwann der Moment kommt, in dem sich eine von ihnen zu mir beugt und leise fragt:
»Sag mal, wie war’s eigentlich im Herzen Arabiens?«
Glossar
Abaja
traditionelles islamisches Übergewand. In Saudi-Arabien neben dem Kopftuch den Frauen in der Öffentlichkeit als Mindest-standard der Verhüllung vorgeschrieben
Al-Adl wal-Ihsan -Partei
islamistische Partei aus Marokko
Alhamdulillah
Gott sei Dank!
Amrou Khaled
berühmter Fernsehprediger ägyptischer Herkunft
Astaghfirullah
Gott vergib mir
Chamis
Syrer
Chaqqa mafrucha
möbliertes Appartement
Dhohr
Nachmittag
Djuha
komische Figur aus der arabischen Volksliteratur
Galabia
Weite, traditionelle Robe
Habibti
meine Liebe
Haram
verboten, ungesetzlich
Hidschab
arabischer Begriff für die Ganzkörperverhüllung von Frauen. In Saudi-Arabien gesetzlich Pflicht
Hilba
Bockshornklee
Huri
bildschöne Jungfrau im Paradies des Islam
Kebssa
in den Golfstaaten weit verbreitetes Hauptgericht aus Reis und Hammelfleisch
Khawaga
Ausländer, meist europäischer Abstammung
Lella
respektvolle Anrede: Meine Dame, Verehrteste
Lilat Dokhla
Hochzeitsnacht, wörtlich: Nacht des Eintritts oder der Passage
Machriqi
Person aus dem Mittleren Osten
Moudawana
marokkanisches Familienrecht, das die weitgehende Gleichberechtigung von Mann und Frau vorsieht
Mut’a
Form der im Islam erlaubten Ehe, bei der die zeitliche Dauer der Verbindung im Vorhinein festgelegt ist
Nabob
Mann mit Reichtum und Einfluss
Niqab
Gesichtsschleier, häufig in Verbindung mit einem Ganzkörpergewand getragen
Scherif
religiöser Titel der Nachfahren Mohammeds
Tarawih
zusätzliches Gebet, das auf das abendliche Gebet Icha folgt und gegen zehn Uhr beendet ist
Thobe
spezielle Art von Gewand, das von manchen Saudi-Arabern getragen wird
Wahhabiten
Anhänger der Wahhabiya, einer sehr konservativen und militanten Richtung des Islam; die Bewegung geht auf Muhammad ibn Abd al-Wahhab zurück. Die Begriffe Wahhabiya und Wahhabiten werden jedoch hauptsächlich von ihren Gegnern benutzt
Youyou
langer, spitzer Schrei maghrebinischer Frauen, mit dem Freude oder Trauer ausgedrückt werden
Die französische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel Sex and the medina bei Éditions Plon, Paris.
Deutsche Erstausgabe 06/2011
© 2010 Plon
© 2011 Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House
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