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Liebe auf Arabisch

Liebe auf Arabisch

Titel: Liebe auf Arabisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Leïla
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sticheln, meine fünf Jahre als Stewardess einer saudi-arabischen Airline seien nicht gerade der ehrenwerteste Eintrag im Lebenslauf einer Marokkanerin, die etwas auf sich hält. Ihnen kann ich nur antworten, dass ich all die Zeit intakt geblieben bin, ich war Jungfrau in meiner Hochzeitsnacht, fragen Sie meinen Ehemann!
    Und so regte sich in mir ein alter Kampfgeist – den habe ich vermutlich von meinem Vater geerbt –, den ich all die Zeit tief unter meiner spießbürgerlichen Existenz
vergraben hatte, unter einer ängstlichen Moral, die es sich auch noch auf die Fahnen schrieb, nicht über andere urteilen zu wollen.
    Ich wusste plötzlich genau, was ich zu tun hatte. Ich nahm die Herausforderung an. Der Tag, an dem man meiner Freundin Joumana erlauben würde, ein Auto zu fahren, würde von mir aus vollem Halse mit einem Youyou begrüßt werden, das weit bis in die Wüste des Nadschd zu hören wäre. Ich würde stolz auf etwas sein. Ich würde Farah rächen. Ich würde Hoffnung auf ihrem Weg säen und die Sterne über ihr in Freiheit strahlen lassen … Ich wollte Fatémas Schwester die Augen darüber öffnen, was sie in Saudi-Arabien erwartete, hinter dem ganzen Prunk, durch den sich schon die Gitterstäbe abzeichnen. Ja, all das auf einen Schlag! All das war mir nun zur Aufgabe geworden.
    Meine Enthüllungen würden schockieren, dachte ich. Und wie! Den Saudis, die ständig so tun, als seien die Sexgeschichten ihrer Frauen ein Verbrechen, als seien ihre Frauen geschlechtslose, seelenlose Wesen, sollte die Spucke wegbleiben. Wallah! Nichts würde mich aufhalten.
    Mit geschärftem Verstand beschloss ich, über die Frauen aus Dschidda zu schreiben, die Tür zu ihrer Intimität aufzustoßen. Und nebenbei auch die Geschichte der Musliminnen aus anderen arabischen Medinas zu erzählen, von ihrem Kampf zwischen Entfremdung und Freiheit. Nicht in Form eines Klageliedes, das würde niemanden überzeugen, sondern in ganz alltäglichen Worten, den leichten Worten der Frauen, gefüllt von ihrem Lachen und ihrer List – ihren Überlebensstrategien.

     
    Ich rief Fatéma an, um sie in meine Pläne einzuweihen und sie gleichzeitig um absolute Diskretion zu bitten. Ich fragte sie nach ihrer Meinung, was das Schreiben anging. Sie riet mir, das Manuskript auf Arabisch zu verfassen, es fände sich sicherlich jemand, es zu veröffentlichen. Klassisches Arabisch hatte ich jedoch seit dem Ende meiner Schulzeit nicht mehr geschrieben.
    Schließlich schlug sie mir vor, das Ganze auf Band zu sprechen, und sie würde es dann abtippen – anonym natürlich.
    Ich kaufte mir also ein Diktiergerät in einem dieser Elektroläden, vor denen die Medina nahezu überquillt. Wann immer ich nun Zeit hatte und allein war, setzte ich mich vor die Maschine und sprach. Ein Ereignis pro Sitzung, mindestens.
    Ich erzählte mit eigenen Worten spontan, was mir einfiel, in marokkanischem oder literarischem Arabisch, manchmal sogar auf Französisch. Ich war selbst überrascht, als ich mich dabei erwischte, zu lachen oder zu gestikulieren, ganz so, als erlebte ich die Situationen noch einmal, mit echten Gesprächspartnern.
    Ich errötete, wenn ich eine Geschichte erzählte, deren schmutzige Seite ich in dem Moment entdeckte und senkte instinktiv die Stimme. Manchmal bekam ich Schuldgefühle, Angst breitete sich in mir aus und meine feministischen Vorsätze lösten sich in Luft auf. Ich schaltete die Maschine ab und war überzeugt, das Handtuch werfen zu müssen.
    Nach zwei Wochen steckte ich etwa zehn Kassetten in einen alten grünen Umschlag, der nun so groß war wie ein Kürbis. Ich legte ihn in einen Korb und bedeckte ihn mit verschiedenen Früchten. Den Korb drückte ich meiner Bediensteten mit der Anweisung in die Hand, ihn
persönlich und nur an Fatéma abzuliefern, mit den Worten: »Im Herzen Arabiens.«
    Sie würde wissen, worum es geht.
    Ich hörte, wie die Kleine die Straße hinunterlief und leise die Worte wiederholte, um sie nicht zu vergessen: »Im Herzen Arabiens … Im Herzen Arabiens.«

Das Haus Gottes
    »Das Haus Gottes steht in der Mekkastraße 1, Saudi-Arabien. «
    Jedes Mal, wenn ich zum Flughafen fuhr, rief mir mein Bruder Ali diesen Satz hinterher, mit dem er sich über unsere Großmutter lustig machte, die der Meinung war, Arabien sei Gottes erster Wohnsitz, seine Wahlheimat und der Ort, von dem aus er die Muslime der ganzen Welt beobachtete. Die Nichtmuslime natürlich auch, pflegte sie zu sagen, aber bei denen drückt er meist

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