Liebe auf Arabisch
Ramadan, 1430 der Hedschra
Warum ich es getan habe
Alles begann an einem Abend im Monat Ramadan, als ich Fatéma bei einer gemeinsamen Freundin wiedertraf. Ich hatte meine frühere Kameradin aus der Uni das letzte Mal in jenem Jahr gesehen, als sie aufbrach, um in Rabat zu unterrichten, während ich selbst mich noch mit der Jobsuche abmühte. Wir trafen uns also an einem dieser typischen Abende des Ramadan, angeregt von Minztee und genährt von Vertraulichkeiten aller Art.
Während die Männer im Esszimmer Karten spielten, machten wir Frauen es uns im Wohnzimmer gemütlich, um miteinander zu quatschen. Unsere Gespräche reichten von dem Dienstmächen, das auf frischer Tat beim Nachäffen ihrer Chefin ertappt wird, bis zum sexuellen Hunger unserer Ehemänner. Als wir schließlich auf unsere derzeitigen oder vergangenen Karrieren zu sprechen kamen, bemerkte ich Fatémas gesteigerte Aufmerksamkeit mir gegenüber. Der Grund dafür ließ nicht lange auf sich warten: Ihre Schwester Aïcha hatte sich in den Kopf gesetzt, einen Saudi zu heiraten. Vergeblich hatte Fatéma versucht, ihr die Sache auszureden, sie zu überzeugen, dass es besser wäre, Single zu bleiben, als einem Polygamen ins Netz zu gehen, und sei er auch ein noch so reicher Ölmulti, der ohnehin schon zwei Frauen an seiner Seite hatte. Doch Aïcha wiederholte wild entschlossen, das alles sei ihr völlig egal – »Ich will eine Prinzessin sein.« Verzweifelt suchte Fatéma nun eine Person, die imstande wäre, ihre Schwester von den Risiken einer solchen Hochzeit zu überzeugen,
und die überhaupt einmal all diese dummen Puten aus Marokko zur Besinnung brächte, die sich bereitwillig für eine Handvoll Rial in die Arme des nächstbesten Arabers vom Golf warfen!
In der Sorge um ihre Schwester gab ich Fatéma Recht. Marokko ist sicherlich kein Land des leichten Lebens, doch verglichen mit manchen Ländern am Golf ist es das Paradies. Bevor sich unsere Wege trennten, schlug ich Fatéma vor, mich mit Aïcha besuchen zu kommen, und ich würde versuchen, ihrer Schwester klarzumachen, dass sie keine Ahnung davon hatte, was sich in Wirklichkeit in den arabischen Harems abspielte.
Ich gebe zu, dass es von mir aus dabei hätte bleiben können, nie wäre ich auf die Idee gekommen, über das Privatleben meiner Freundinnen aus Dschidda zu schreiben, hätte ich nicht drei Monate später eine traurige Nachricht erhalten.
Ich wollte gerade meine Kinder aus dem Kindergarten abholen, als das Telefon klingelte. Es war Joumana. Sie weinte, was mich sofort stutzig machte. Joumana ist die rationalste, am wenigsten sentimentale Araberin, die ich kenne.
Es musste einen wirklich schlimmen Grund für ihre Tränen geben, den sie mir auch sogleich schluchzend mitteilte: Ihre Cousine Farah, die wir aufgrund ihrer übermäßigen Lebensfreude und ihres Humors nur die »lustige Witwe« nannten, war verschwunden. Eine Woche zuvor hatte die Sittenpolizei sie im Hotelzimmer eines iranischen Pilgers erwischt. In Anbetracht des Ranges ihrer Familie hatte man sie vor die Wahl gestellt: öffentliche Peitschenhiebe oder eine Bestrafung hinter verschlossenen Türen. Doch nun war die junge Frau spurlos verschwunden, sie war geflohen.
Die Nachricht ließ mich erschauern und an den darauf folgenden Tagen war ich tieftraurig. Ständig erinnerte ich mich an unsere gemeinsam verbrachte Zeit, an unser Lachen und die geteilten Geheimnisse, an die Spaziergänge mit meinen Freundinnen aus Dschidda in den Malls, an unsere gemeinsamen Eskapaden. Ich sah Farahs strahlende Augen vor mir und dachte an die innere Freiheit, die sie verhüllt unter dem Kopftuch trug. Sie, deren Name »Freude« bedeutet, und für die ich das Schlimmste befürchten musste.
In mir wuchs das überwältigende Bedürfnis, Zeugnis abzulegen, und die Stärke meiner Entschlossenheit überraschte mich selbst. Ich betrachtete mich im Spiegel, diese gelassene Frau aus Casablanca, der Gott einen sanften Ehemann geschenkt hatte – eine Führungsperson im Außenministerium –, eine schöne Wohnung, zwei wunderbare Kinder, einen kleinen Schmuckladen und eine Haushaltshilfe, alles, was es braucht, um glücklich zu sein! Wer hätte das vor dreißig Jahren von mir erwartet, einem mangelernährten Mädchen, das im Dreck Casablancas herumstreunte? Ich hätte genauso gut als Dienstmädchen enden können oder auf der Straße. Allah hatte etwas anderes mit mir vor und ich kann stolz sein auf meinen Weg. Pech für all die Neider, die noch immer
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