Liebe auf Arabisch
beide Augen zu, weil sie sowieso in die Hölle kommen.
In meiner Kindheit glaubte ich wirklich daran. Das Wort »Arabien« weckte in mir Vorstellungen von einem Land, das ein einziges Dünenmeer war und das Gott selbst regierte, der auf seinem Thron saß und am Morgen sanft von den Gebeten der Pilger geweckt wurde. Im Fernsehen sah ich Männer mit makellos gebundenen Turbanen und faltenfreien Gewändern, die durch den Sand oder über den Marmorboden eines Palastes schlenderten. Alle sahen aus wie König Faisal in meinen Schulbüchern. Doch nie sah ich arabische Frauen. Beschützte Gott die Frauen dort genauso wie die Männer? Oder erforderten auch sie weniger Aufmerksamkeit wie die Ungläubigen? Meine Großmutter Hinna behauptete, Evas Töchter seien zum Teil aus der Spucke des Teufels gemacht worden – daher auch ihre Geschwätzigkeit – und hätten sich viele Strategien ausgedacht, um Gottes
Wachsamkeit zu umgehen. Tatsächlich stehe irgendwo geschrieben: »Ihre Hinterlist ist groß!«
Später lernte ich, dass die Frauen vom Golf existierten. Sogar in Marokko. Wo sie eingesperrt werden in die Paläste ihrer Väter oder ihrer Ehemänner, in unseren Medinas und an unseren Küsten. Und doch blieben die Araberinnen für mich unsichtbar, eine Fiktion. Bis zu jenem Tag, an dem ich ihnen begegnete.
Es ist nicht leicht, diese Frauen kennenzulernen. Jeder weiß, dass sie nur selten ausgehen, von Kopf bis Fuß verschleiert und nur in Begleitung eines Vormunds, dem Mahram, der vor ihnen herläuft und ihnen untersagt, das Wort an jemanden zu richten, der kein Familienmitglied ist. Als ich in Dschidda ankam, erfuhr ich, dass die anderen Stewardessen zwar aus aller Herren Länder stammten, doch nur die Allerwenigsten je die Gelegenheit bekommen hatten, eine waschechte Araberin privat kennenzulernen. Kaum einer war Einlass in diese Häuser gewährt worden, die Fremden erfahrungsgemäß verschlossen bleiben.
Ich selbst hätte niemals versucht dorthin zu gelangen, hätte ich nicht die schicksalhafte Bekanntschaft von Joumana gemacht. So geschah es, dass mir nicht nur Zugang zu ihren beeindruckenden Häusern gewährt wurde, sondern auch zu den Geheimnissen eines Landes, das ich nur sehr oberflächlich kannte und dessen rigide, mürrische, ausschließlich männliche Fassade all das verbarg, was sich tatsächlich hinter den Kulissen abspielte.
Ich erinnere mich daran, als ob es gestern wäre. Eine junge Frau mit asiatischen Zügen öffnete mir die sonst nur den Frauen vorbehaltene Tür und führte mich durch eine von Palmen, Drillingsblumen und Oleander gesäumte Allee. Mir war als wandle ich durch einen Park in Tanger.
Im Salon, groß wie ein marokkanisches Fußballstadion, begrüßte mich Joumana mit weit geöffneten Armen und einem ebenso breiten Lächeln. Sie legte eine mit klimpernden Reifen geschmückte Hand um meine Taille und führte mich unter höflichen, wohlklingenden Worten in einen noch pompöseren Raum. Sie trug eine schwarze Strumpfhose und ein ärmelloses T-Shirt derselben Farbe, das ihr feines Dekolleté nur halb bedeckte. Da war sie wieder, die Passagierin im roten Minirock, die zwei Monate zuvor das Flugzeug bestiegen hatte.
Wir gingen durch den ersten Salon, dann durch einen zweiten, wo eine kleine Gruppe Frauen wartete, die sich nun allesamt erhoben und mich mit Küsschen begrüßten. Später erfuhr ich, dass dies der Kreis von Joumanas engsten Freundinnen war.
Sie hatten ihre Abajas abgelegt und nun trat eine Überfülle an Spitze, Rüschen und Schmuck zutage. Ihre Handtaschen, Marke Gucci oder Chanel, lagen sorgfältig platziert neben ihnen, eine prächtiger als die andere. Ich durfte ihre silbernen oder goldenen Marken-Pumps und ihre professionell manikürten Nägel bewundern.
Die Einzige von ihnen, die nicht westlich gekleidet war, war eine Dame fortgeschrittenen Alters, deren mit Kajal umrandete Augen vor Schlauheit und Jugend funkelten. Sie erinnerte mich an meine Großmutter, Gott hab sie selig, obwohl der Blick meiner Großmutter zeitlebens frei von solcher Schalkhaftigkeit gewesen war. Ansonsten jedoch trug sie das gleiche schwarze Gewand, hatte das gleiche faltige quadratische Gesicht, man hätte sie für Cousinen halten können. Ohnehin gleichen Saudierinnen und Marokkanerinnen einander wie ein Ei dem anderen, helle Haut und Haare wie Ebenholz. Unsere gemeinsamen arabischen Wurzeln haben uns die
gleichen Züge verliehen und diese Ähnlichkeit beruhigte mich.
Sie hatten mir einen Platz
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