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Liebe auf Dauer

Titel: Liebe auf Dauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jellouschek
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Quelle von Sinn. Wir Menschen sehnen uns nach Ekstase und Entgrenzung . Da, wo wir Derartiges erleben, sind wir fasziniert, wachsen wir gleichsam über uns selber hinaus. Die Religion mit ihren Verheißungen und mit ihren feierlichen liturgischen Gottesdiensten war in früherer Zeit der Bereich, in dem die Menschen etwas von dieser Sehnsucht über sich selbst hinaus unterbrachten. Heutzutage verliert die Religion diese Bedeutung immer mehr. Aber die Sehnsucht nach Entgrenzung bleibt. Darum bekommen die Drogen eine solche Bedeutung – und wohl auch die Sexualität.
    Das bekommt aber den Paarbeziehungen nicht nur gut. Wohl kümmert man sich dadurch heute sehr viel mehr um ein erfülltes Sexualleben als früher, und dagegen ist ja nichts einzuwenden. Aber wenn die Sexualität eine so zentrale Bedeutung für Faszination und Sinnerleben bekommt, wie es heute oft zu beobachten ist, wird auch die Gefahr sehr groß, dass man sie – vor allem in einer Dauerbeziehung, wo sie nicht in ununterbrochener Ekstase gelebt werden kann – überfordert. Darum brauchen Paare noch anderes, was sie miteinander begeistert, fasziniert, aus ihren Grenzen herausführt. Auch darum scheint mir das bisherGesagte so wichtig: Ein breiteres Spektrum von Möglichkeiten, die das Zusammenleben von Partnern bereichern und erfüllen, scheint mir die Bedeutung der Sexualität auf eine gute Weise auch ein Stück weit zu relativieren. Partner, die von einem gemeinsamen Anliegen zutiefst erfüllt sind, die im Herzen für eine gemeinsame Sache brennen, inspirieren sich einerseits dadurch auch erotisch, und andererseits füllen sie ihr Leben auch dann mit Faszination, wenn die Erotik nicht mehr so im Vordergrund steht.
Visionen für die Zukunft
    Wir haben von dem gesprochen, was die Gegenwart eines Paares mit Sinn und Tiefe erfüllen kann. Dazu gehört auch ein Weiteres: Der positive Blick in die Zukunft . Auch eine attraktive Zukunftsperspektive kann die Gegenwart mit Sinn erfüllen, kann sie in einem positiven Licht erscheinen lassen, kann sie sogar erträglich machen, wenn sie unerträglich zu werden droht. In vielen Betrieben wird aus diesem Grund heutzutage »Visionsarbeit« geleistet. Städte und Gemeinden entwerfen »Leitbilder«. Sie sollen dazu dienen, über den Tellerrand hinauszuschauen, sie sollen Orientierung geben und Veränderungen attraktiv machen.
    Könnten wir uns etwas Derartiges nicht auch für die Partnerbeziehung nutzbar machen? In der Zeit der Verliebtheit haben Paare die Tendenz, ihre Zukunft rosig zu sehen, allerdings ziemlich vage und unkonkret. Wenn es dann Enttäuschungen gibt, kann es sein, dass sie enttäuscht sind, »realistisch werden« und die verschwommenen Positivbilder ganz über Bord werfen. Sie haben dann gar keine rechten Ideen mehr, wie es weitergehen könnte. Oder sie fangen dann an, von einem Märchenprinzen zu träumen oder einer Prinzessin, durch die sich »alles wenden würde«. Zukunftsbilder in dem hier gemeinten Sinn sind etwas anderes. Essind keine unrealistischen Traumbilder, aber sie weisen trotzdem über die Realität, wie sie jetzt ist und erfahren wird, hinaus. Der Philosoph Ernst Bloch (1990) sprach von »Real-Utopien«, das heißt, von etwas, das noch nicht ist, aber in die Zukunft hinein entworfen wird, um in die Realität umgesetzt zu werden.
    Konkret bedeutet das: Es belebt die Liebe, wenn wir uns angewöhnen, uns immer wieder Bilder von dem zu machen, wie unsere Beziehung in drei, in fünf, vielleicht in zehn Jahren sein könnte. Damit ist nicht gemeint, sich in ein Wolkenkuckucksheim hineinzuträumen. Es geht um unsere reale Beziehung, es geht um dich und mich. Wie werde ich, wie möchte ich – angesichts der vorhandenen Rahmenbedingungen – mit dir in drei, fünf Jahren zusammenleben? Wo werden wir leben, wie werden wir leben, welche Arbeit werde ich, welche du tun …, was wird mit unseren Kindern sein, was wird mehr Raum einnehmen, was weniger …? Das heißt, wir fragen uns: Wohin geht meine Lebenssehnsucht, für mich persönlich – und mit dir zusammen? Was meldet sich in mir, was unbedingt Wirklichkeit werden möchte, und wie könnte das konkret aussehen?
    Es geht dabei nicht um eine Flucht aus der Wirklichkeit. Aber es geht auch nicht um ein Versinken in einem resignativen »Realismus«. Es geht um ein Hinausgreifen über die derzeitigen Grenzen dieser Wirklichkeit, um sie zu erweitern. Es geht wieder um den bereits genannten »Möglichkeits-Sinn«. Mit dem träumen wir uns nicht ins

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