Liebe auf Dauer
ausführlich erzählen lasse, worum es geht, und die Krisenhaftigkeit der Situation in aller Tiefe auslote. Weiter gehört dazu, dass ich die Gefühle, die die Krise bei den Betroffenen hervorruft, annehme, ihnen den Raum biete, in dem sie ausreichend ausgedrückt werden können. Immer steht in solchen Krisen auch ein Abschied von etwas an, das war und nie mehr sein wird. Auch der Schmerz darüber gehört ausgedrückt und akzeptiert. Wenn ich als Berater oder Freund so damit umgehe, dann ist es nicht zynisch, sondern kann eine entscheidende Hilfe sein, das Paar darin zu unterstützen, den Blick dann auch nach vorne zu richten, auf die Möglichkeiten, die sich jetzt – gerade durch die Krise – eröffnen.
Woher kann ich aber denn so sicher sagen, dass es solche Möglichkeiten gibt? Ist wirklich jede Krise eine Chance?
Keine Krise »ist« eine Chance. Es ist vielmehr so, dass ich damit unterschiedlich umgehen kann. Ich kann mich der Krise unterwerfen, oder ich kann sie als mögliche Chancebegreifen. Was »stimmt«, sagt mir die Krise »als solche« nicht. Was sie für mich ist, das mache ich aus ihr. Es ist eine Sache meiner Kreativität, meines »Möglichkeits-Sinns«, ihr diese Bedeutung abzugewinnen. Es gehört entscheidend zum Repertoire der Lebensbewältigung von Paaren, nicht nur einen nüchternen »Wirklichkeits-Sinn«, sondern auch diesen »Möglichkeits-Sinn« zu entwickeln. Damit schafft das Paar für sein Leben und Zusammenleben eine grundlegend positive Perspektive und hoffnungsfrohe Grundstimmung.
Hinweise
Gerade bei den unvorsehbaren kritischen Lebensereignissen gibt es Fragen, die meist nichts bringen oder in eine falsche Richtung führen. Fragen wie »Was ist die Ursache dieser Krise?«, und vor allem »Wer ist Schuld daran?«, »Warum hast du mir das angetan?« und »Warum muss es gerade mich/uns treffen?« – Die entscheidende konstruktive Frage angesichts solcher Krisenereignisse lautet: »Wozu fordert uns diese Krise heraus – zu welchem Schritt, zu welcher Entscheidung, zu welcher Entwicklung?« Ähnlich sinnvolle Fragen können sein: »Was ist die Botschaft dieses Krisenereignisses an dich, an mich, an uns?«, wobei die Krise diese Botschaft nicht »enthält«, sondern wir es sind, die sie daraus entnehmen. Oder: »Was ist das ungelebte Leben, das sich in dieser Krise anmeldet und bemerkbar macht?« Die Fragestellung könnte auch lauten: »Wozu wird dieses Ereignis einmal gut gewesen sein?« (Hildenbrand 1993, S. 136)
Wenn man in der Krise steckt, ist es verständlich, dass man den Zustand vor der Krise zurückhaben will. Aber wir haben gesehen: Dieser Zustand ist oft gar nicht so gut, wie er vielleicht in der unmittelbaren Krisenerfahrung erscheint. Und zum anderen: Die Situation wirdnach der Krise nie mehr so sein können wie vorher. Entweder wird unsere Beziehung an der Krise zerbrechen – oder sie muss eine neue Stufe ihrer Entwicklung erreicht haben, damit sie weitergeht. Es kann also nur »nach vorne« weitergehen, entweder in die eine oder die andere Richtung. Das heißt: Immer steht ein Abschied an, der vollzogen werden muss, damit wir für etwas Neues frei werden.
Wenn man mit solchen Fragen wie den in 1. genannten an Lebenskrisen herangeht, hat man – bewusst oder unbewusst – zuvor eine Grundannahme getroffen, nämlich die Grundannahme, dass es das Leben – auch in seinen Schicksalsschlägen – gut mit mir meint. Man geht von der Annahme aus, dass in der Krise sich nicht etwa der Neid der Götter zeigt, auch nicht ein strafender Gott oder die Willkür eines blinden Schicksals, sondern dass mir auch darin letztlich Wohl-Wollen begegnet. Das ist eine Grundannahme, von der auch Christentum und Buddhismus ausgehen: Für das Christentum steht der »gekreuzigte Auferstandene« im Zentrum, im Buddhismus wird der Endzustand der Erleuchtung erreicht, wenn alle »Ichhaftigkeit«, alles »Anhaften« losgelassen ist. Das heißt: Für beide wird in der tiefsten Krise des Lebens die eigentliche Vollgestalt des Lebens erreicht. Darum kann auch eine in diesem Sinn religiöse Lebenseinstellung eine große Unterstützung für eine positive Krisenbewältigung sein.
10 Schaffen Sie gemeinsame Sinnwelten und Lebensperspektiven
Die Kunst, das Zusammenleben mit Sinn zu erfüllen
Manchmal habe ich mit Paaren zu tun, die eigentlich keine massiven Probleme haben, aber es liegt etwas wie ein depressiver Schleier über der gesamten Beziehung. Oft sind es Paare, die keine Kinder haben, die in
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