Liebe auf Dauer
damit eingehender zu befassen. Aber die Familienphase ist, wenn überhaupt, nur eine Phase im Leben des Paares, und wenn sie zu Ende ist, gibt es in der Regel noch Jahrzehnte miteinander zu leben.Das heißt aber: Es ist gut, das im Auge zu haben und schon früh in der Beziehung anzufangen, verschiedene Formen dieses gemeinsamen »Dritten« – eben über gemeinsame Kinder hinaus – miteinander zu entwickeln.
Das kann bedeuten: gemeinsame Interessen finden und miteinander pflegen; gemeinsame Hobbys – Sport, Musik, Kunst, Reisen … – entdecken und ausüben; tiefere Fragen unseres Daseins, Fragen philosophischer, religiöser Art miteinander stellen und diskutieren; gemeinsame soziale und/ oder politische Anliegen entwickeln und sich im Rahmen des Möglichen dafür engagieren; eine dem Paar entsprechende religiös-spirituelle Praxis suchen und miteinander üben und so weiter. Mit dieser Aufzählung strebe ich keine Vollständigkeit an, vielmehr soll das Gemeinte damit lediglich illustriert werden. Wenn sich Paare schon in der kinderlosen Zeit solche gemeinsamen Bereiche erschließen, wird es möglich sein, sie – wenn auch vielleicht »schmalspurig« und fragmentarisch – auch in der Familienphase aufrechtzuerhalten und sie in die Nach-Familienphase »hinüberzuretten«, wo sie wieder oder vielleicht auch erstmals voll »zum Erblühen« kommen können.
Als ein kleines Beispiel für ein solches »Drittes« möchte ich ein befreundetes Paar anführen, das das Reisen in verschiedene Länder als sein besonderes Hobby entdeckte. Die beiden schafften sich schon sehr früh einen VW-Bus an, um überall da hinzukommen, wohin ihre Interessen gingen. Als sie Kinder bekamen, wurde der VW-Bus, sobald es irgendwie möglich war, durch ein Wohnmobil ersetzt. Damit konnten sie auch die Kinder in ihre Reiselust sommers wie winters mit einbeziehen und ihren Interessen an fremden Ländern und Kulturen weiter nachgehen. Die Kinder hatten im Wohnmobil ihre gewohnte, stabile Umgebung, und für Möglichkeiten, Abenteuerliches zu erleben, war reichlich gesorgt. Nun, da die Kinder größer werden und aus dem Haus zu gehen beginnen, wird das Wohnmobil – vielleichtdemnächst in etwas kleinerer Ausfertigung – wieder mehr zum Reisegefährt für sie beide, und sie gehen daran, sich neue und noch unbekannte Ziele damit zu erschließen. Das Wohnmobil symbolisiert sozusagen für sie das »Dritte«, ihr gemeinsames Interesse und ihre gemeinsame Begeisterung, denen sie in ihrem Leben immer wieder Raum gegeben haben.
Produktivität gegen Passivität
Wie man sieht, geht es bei diesem wie auch bei allen anderen Beispielen für das »Dritte« nicht um passiven Konsum, sondern immer um Produktives oder Kreatives. Passiver Konsum ist nämlich nur in sehr begrenztem Maß als Sinnquelle geeignet. Damit sei nichts gegen ein schönes Essen oder einen interessanten Fernsehabend gesagt. Aber nur gemeinsam passiv zu konsumieren entleert auf die Dauer die Beziehung. Der Amerikaner M.Csikszentmihalyi (1991) hat bei seinen Untersuchungen herausgefunden, dass es für das so genannte Flow-Erlebnis, das ja im höchsten Maße Sinn-Erleben ist, immer ein gewisses Maß an produktiver Anstrengung und Aktivität braucht, damit es sich einstellt. Darum beginnen Paare, die sich den ganzen Tag, solange sie getrennt voneinander sind, so verausgaben, dass sie am Abend, wenn sie zusammen sind, nur noch rauchend oder Bier trinkend vor dem Fernseher versacken, sich einander zu entfremden. Es wird leer zwischen ihnen, weil durch die gemeinsame Passivität nichts Faszinierendes mehr zwischen ihnen entsteht.
Es ist darum auch in hohem Maß für eine Paarbeziehung destruktiv, wenn Partner ihr Leben ohne Notwendigkeit mit so viel Anstrengung anfüllen, dass keine Zeit und Energie mehr bleibt, auf produktive Weise das gemeinsame Leben zu pflegen und zu gestalten. Um Sinn zu erleben, muss manWertvolles tun, sich mit Wertvollem befassen. Das ist zwar insgesamt regenerierender als Passivität und Konsum, weil es Lebensfreude und Energie »zurückbringt«, aber es braucht auch Kraft. Diese Kraft darf nicht mit nutzlosen und unnötigen Beschäftigungen verschleudert werden, sonst wird der Erfahrung von Sinnlosigkeit Tür und Tor geöffnet.
Relativierung der Sexualität
Manchmal bekomme ich den Eindruck, dass im Beziehungsleben von Männern und Frauen der Sexualität in diesem Zusammenhang eine übertriebene Bedeutung beigemessen wird. Zweifellos ist auch das sexuelle Erleben eine
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