Liebe auf den ersten Biss
gepanzerten Tiere zu beißen. Tommy hatte sie auf die Namen Scott und Zelda getauft, was es auch nicht besser machte. Inzwischen diente Zelda als Rasenschmuck in Pacific Heights, und Scott stand in Bronze gegossen neben dem alten Vampir im großen Zimmer. Die bildhauernden Biker hatten die beiden Kröten bronziert, wodurch Tommy überhaupt erst auf die Idee gekommen war, dasselbe auch mit Jody und dem alten Vampir zu machen.
»Bist du sicher, dass es okay ist?«, sagte Tommy und beugte sich über Chet, den fetten, barbierten Kater. »Ich meine, du hast gesagt, wir sollten nur die Kranken und Schwachen jagen – die mit schwarzer Aura. Chets Aura leuchtet rosig.«
»Bei Tieren ist es was anderes.« Dabei wusste sie gar nicht, ob es bei Tieren was anderes war. Einmal hatte sie eine Motte gegessen, im Stück, hatte sie aus der Luft geschnappt und heruntergewürgt, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Jetzt wurde ihr bewusst, dass sie Elijah noch viel mehr Fragen hätte stellen können, als Gelegenheit dazu gewesen war. »Außerdem willst du ihn ja nicht umbringen.«
»Stimmt«, sagte Tommy. Er drückte seinen Mund an Chets Katzenhals. »Fo etfa?«
Jody musste sich abwenden, um nicht laut loszuprusten. »Ja, sieht doch gut aus.«
»Er fmeckt nach Rawierfaum.«
»Jetzt mach!«, sagte Jody.
»Ma gup.« Tommy biss zu und fing fast augenblicklich an zu stöhnen. Kein seliges Stöhnen, eher das Stöhnen von jemandem, dessen Zunge an der Eiswürfelschale im Tiefkühlfach festklebt. Chet wirkte ungewöhnlich ruhig, wehrte sich nicht mal gegen seine Fesseln. Vielleicht stimmte es ja doch, dass Vampire Macht über ihre Opfer besaßen, dachte Jody.
»Okay, das reicht«, sagte Jody.
Tommy schüttelte den Kopf und nuckelte weiter an dem rasierten Kater herum.
»Tommy, lass los! Du musst noch was übrig lassen.«
»Vergiff ef«, sagte Tommy.
»Hör auf, den fetten Kater leerzulutschen, Tommy«, sagte Jody trocken. »Das ist mein Ernst.« Dabei war es gar nicht ihr Ernst, nur ein bisschen.
Mittlerweile atmete Tommy schwer, und seine Haut hatte ein wenig Farbe bekommen. Jody sah sich nach etwas um, womit sie seine Aufmerksamkeit erregen konnte. Auf dem Nachtschränkchen entdeckte sie eine Vase.
Sie nahm die Blumen heraus und kippte das Wasser auf Tommy und den fetten Kater. Er wollte einfach nicht aufhören. Ein wohliges Schaudern durchfuhr den Kater, ansonsten rührte er sich nicht.
»Na, gut«, sagte Jody. Tommy hatte die schwere Steingutvase irgendwo besorgt, als er ihr einen Blumenstrauß aus dem Supermarkt mitgebracht hatte, um sich zu entschuldigen. Das tat er öfter, brachte ihr auch mal Blumen mit, bevor er überhaupt was angestellt hatte. Mehr konnte man von einem Mann nun wirklich nicht erwarten, was auch der Grund war, weshalb Jody auf halbe Kraft ging, als sie mit der Vase ausholte, die Tommy an der Stirn traf, so dass er glatt zwei Meter rückwärts taumelte. Chet, der nackte Kater, miaute kläglich. Wundersamerweise blieb die Vase heil.
»Danke«, sagte Tommy und wischte sich das Blut vom Mund. Er hatte eine mondsichelfömige Delle an der Stirn, die sich zügig füllte und verheilte.
»Gern geschehen«, sagte Jody und starrte die Vase an. Prima Vase, dachte sie. Zartes, elegantes Porzellan war schön und gut für Sammlervitrinen und Kaffeeklatsch, aber Mädchen, die kurz mal was brauchten, um jemandem eins vor den Latz zu knallen, schworen auf das robustere Steingut.
»Schmeckt nach Katzenmaulgeruch«, sagte Tommy und deutete auf Chet. Die Bissspuren von Tommys Zähnen waren schon verheilt. »Soll das so sein?«
Jody zuckte mit den Schultern. »Wie riecht denn eine Katze aus dem Maul?«
»Wie eine Thunfisch-Kasserolle, die eine Woche in der Sonne gestanden hat.« Da Tommy aus dem Mittleren Westen kam, dachte er, jeder müsste wissen, wie eine Thunfisch-Kasserolle riecht. Da Jody jedoch im kalifornischen Carmel geboren und aufgewachsen war, kannte sie so etwas nur aus den alten Fernsehserien.
»Ich glaub, ich lass es lieber«, sagte Jody. Sie hatte Hunger, aber nicht auf faulen Fisch. Allerdings wusste sie nicht, was sie sonst tun sollte. Sie konnte sich ja nicht mehr von Tommy ernähren, und obwohl sie den Rausch mochte und das Gefühl hatte, sie diente Mutter Natur, wenn sie nur die Schwachen und Kranken holte, missfiel ihr der Gedanke, auf Menschenjagd zu gehen, selbst wenn es Fremde waren. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken, um sich zu überlegen, wie ihr gemeinsames, neues Leben aussehen
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