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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Steiner. »Er soll die Karte bringen. Es gibt hier vier Menüs zur Auswahl. Kaviar à discretion selbstverständlich.«
      »Essen särr schlecht hierr«, sagte der Pole.
      »Ach, da ist ja unser Jesu Christo!« Steiner betrachtete ihn interessiert. »Bist du Professional hier?«
      »Särr schlecht«, wiederholte der Pole. »Und so wenig …«
      »O Gott!« sagte der Glatzkopf in der Ecke. »Und ich habe ein
    gebratenes Huhn in meinem Koffer. Wann werden sie uns hier bloß ’rauslassen?«
      »In vierzehn Tagen«, erwiderte Steiner. »Das ist die übliche Strafe für Emigranten ohne Papiere. Nicht wahr, Jesu Christo? Du kennst das doch!«
      »Vierzehn Tage«, bestätigte der Pole. »Odärr länger. Essen särr wennig. Särr schlecht. Dünne Suppe.«
      »Verflucht! In der Zeit ist das Huhn verfault.« Der Glatzkopf stöhnte. »Mein erstes Poulet seit zwei Jahren. Zusammengespart, Groschen für Groschen. Heute mittag wollte ich es essen.«
      »Warten Sie bis heute abend mit Ihrem Schmerz«, sagte Steiner. »Dann können Sie annehmen, Sie hätten es schon gegessen, und Sie haben es leichter.«
      »Was? Was reden Sie da für Unsinn?« Der Mann starrte Steiner aufgewühlt an. »Das soll dasselbe sein, Sie Quatschkopf? Wenn ich es doch nicht gegessen habe? Und außerdem hätte ich mir eine Keule noch für morgen früh aufgehoben.«
      »Dann warten Sie bis morgen mittag.«
      »Fürr mich das nicht schlimm«, mischte sich der Pole ein. »Esse nie Poulet.«
      »Für dich kann’s doch auch nicht schlimm sein. Du hast doch keins gebraten im Koffer liegen«, schimpfe der Mann in der Ecke.
      »Auch wenn ich hätte, nicht schlimm! Esse nie derselbe! Vertrage nicht Poulet. Kotze hinterher!« Der Pole sah sehr zufrieden aus und strählte seinen Bart. »Fürr mich gar nicht schlimm, der Poulet!«
      »Mann Gottes, das will ja niemand wissen!« schrie der Glatzkopf ärgerlich.
      »Sogar wenn Poulet hierr – ich demselben nicht essen!« verkündete der Pole triumphierend.
      »Herrgott! Hat man so was schon mal gehört!« Der Besitzer des Huhns im Koffer drückte verzweifelt die Hände gegen die Augen.
      »Mit gebratenen Poulets kann ihm scheinbar nichts passieren«, sagte Steiner. »Unser Jesu Christo ist da immun. Ein Diogenes der Brathühner. Wie ist es denn mit Suppenhuhn?«
      »Auch nicht«, erklärte der Pole fest.
      »Und Paprikahuhn?«
      »Ibberhaupt kein Huhn!« Der Pole strahlte.
      »Ich werde verrückt!« heulte der gemarterte Besitzer des Poulets.
      Steiner drehte sich um. »Und Eier, Jesu Christo? Hühnereier?«
      Das Strahlen verschwand. »Eierchen. Ja! Eierchen gärne!« Ein Schimmer von Sehnsucht umflog den zerraufen Bart. »Särr gärne.«
      »Dem Himmel sei Dank! Endlich ein Loch in der Vollkommenheit!«
      »Eierchen särr gärne«, beteuerte der Pole. »Vierr Stück, sechs Stück, zwölf Stück, gekocht sechs Stück, andere gebraten. Mit Bratkartoffelchens. Bratkartoffelchens mit Speck.«
      »Ich kann das nicht mehr mit anhören! Schlagt ihn ans Kreuz, den gefräßigen Christus!« tobte das Huhn im Koffer.
      »Meine Herren«, sagte eine warme Baßstimme mit russischem Akzent, »wozu so viel Aufregung um eine Illusion. Ich habe eine Flasche Wodka mit durchgebracht. Darf ich anbieten? Wodka wärmt das Herz und beruhigt das Gemüt.«
      Der Russe entkorkte die Flasche, trank und reichte sie Steiner. Der nahm einen Schluck und gab sie an Kern weiter. Kern schüttelte den Kopf.
      »Trink, Baby«, sagte Steiner. »Gehört dazu. Mußt es lernen.«
    »Wodka särr gutt!« bestätigte der Pole.
      Kern nahm einen Schluck und gab die Flasche an den Polen, der sie mit geübtem Griff in die Gurgel schwenkte.
      »Er säuf sie aus, der Eierfetischist!« knurrte der Mann mit dem Poulet und entriß ihm die Flasche. »Es ist nicht mehr viel drin«, sagte er bedauernd zu dem Russen, nachdem er getrunken hatte.
      Der wehrte ab. »Macht nichts. Ich komme spätestens heute abend ’raus.«
      »Sind Sie dessen so sicher?« fragte Steiner.
      Der Russe machte eine kleine Verbeugung. »Leider, möchte ich fast sagen. Ich besitze als Russe einen Nansenpaß.«
      »Nansenpaß!« wiederholte das Poulet ehrfürchtig. »Da gehören Sie natürlich zur Aristokratie der Vaterlandslosen.«
      »Es tut mir leid, daß es bei Ihnen noch nicht soweit ist«, sagte der Russe höflich.
      »Sie hatten den Vorrang«, erwiderte Steiner. »Sie waren die

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