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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Sogar ohne Geld.«
      Der Offizier starrte ihn an. »Woher wissen Sie denn das, Sie?«
      »Man sollte ihn zur Rettungsgesellschaf bringen«, schlug einer der Polizisten vor. »Da ist immer ein Sanitäter oder ein Arzt. Die könnten dann weitersehen. Damit wären wir ihn auch los.«
      Der Offizier hatte seinen Entschluß gefaßt. »Gut, hebt ihn auf! Wir fahren bei der Rettungswache vorbei. Dann bleibt einer mit ihm da. Verdammte Schweinerei!«
      Die Polizisten hoben den Mann hoch. Er stöhnte und wurde sehr blaß. Sie legten ihn auf den Boden des Wagens. Er zuckte und öffnete die Augen. Sie glänzten unnatürlich in dem verfallenen Gesicht. Der Offizier biß sich auf die Lippen. »So ein Blödsinn! ’runterspringen, solch ein alter Mann! Los, langsam fahren!«
      Unter dem Kopf des Verletzten bildete sich langsam eine Blutlache. Die knotigen Finger scharrten über das Bodenholz des Wagens. Die Lippen zogen sich allmählich von den Zähnen zurück und gaben sie frei. Es sah aus, als lache hinter der geisterhaf verschatteten Maske des Schmerzes jemand anders lautlos und voll Hohn.
      »Was sagt er?« fragte der Offizier.
      Der Polizist von vorher kniete wieder neben den Alten hin und hielt ihm beim Rattern des Wagens den Kopf fest. »Er sagt, er hätte zu seinen Kindern gewollt. Sie müßten jetzt verhungern«, berichtete er.
      »Ach, Unsinn! Werden nicht verhungern. Wo sind sie denn?«
      Der Polizist beugte sich herunter. »Er will es nicht sagen. Sie würden dann ausgewiesen. Hätten alle keine Aufenthaltserlaubnis.«
      »Das sind doch Phantasien. Was sagt er jetzt?«
      »Er sagt, Sie möchten ihm verzeihen.«
      »Was?« fragte der Offizier erstaunt.
      »Er sagt, Sie möchten ihm verzeihen wegen der Scherereien, die er macht.«
      »Verzeihen? Was soll denn das nun wieder?« Kopfschüttelnd starrte der Offizier den Mann am Boden an.
      Der Wagen hielt vor der Rettungswache. »Tragt ihn ’rein!« kommandierte der Offizier. »Aber vorsichtig. Und Sie, Rohde, bleiben bei ihm, bis ich telefoniere.«
      Sie hoben den Verunglückten hoch. Steiner bückte sich. »Wir finden deine Kinder. Wir werden ihnen helfen«, sagte er. »Verstehst du, Alter?«
      Der Jude schloß die Augen und öffnete sie wieder. Dann trugen ihn drei Polizisten in das Haus. Seine Arme hingen herunter und schleifen widerstandslos über das Pflaster, als wären sie schon ohne Leben. Nach einiger Zeit kamen zwei Polizisten zurück und stiegen wieder auf. »Hat er noch etwas gesagt?« fragte der Offizier.
      »Nein. Er war schon ganz grün im Gesicht. Wenn’s die Wirbelsäule ist, macht er’s nicht mehr lange.«
      »Na ja, halt ein Jud weniger«, sagte der Polizist, der Steiner geschlagen hatte.
      »Verzeihen«, murmelte der Offizier. »So was! Komische Menschen …«
      »Besonders in diesen Zeiten«, sagte Steiner.
      Der Offizier strafe sich. »Halten Sie’s Maul gefälligst, Sie Bolschewist!« brüllte er. »Ihnen werden wir Ihre Frechheiten schon austreiben!«

    MAN BRACHTE DIE Verhafeten zur Polizeistation an der Elisabethpromenade. Steiner und Kern wurden die Handschellen abgenommen, dann kamen sie zu den andern in einen großen, halbdunklen Raum. Die meisten saßen schweigend herum. Sie waren gewohnt zu warten. Nur die dicke blonde Wirtin lamentierte unentwegt weiter.
      Gegen neun Uhr wurde einer nach dem andern heraufgeholt. Kern wurde in ein Zimmer geführt, in dem sich zwei Polizisten, ein Schreiber in Zivil, der Offizier und ein älterer Polizeioberkommissär befanden. Der Oberkommissär saß in einem hölzernen Sessel und rauchte Zigaretten. »Personalien«, sagte er zu dem Mann am Tisch.
      Der Schreiber war ein schmaler, pickliger Mensch, der an einen Hering erinnerte. »Name?« fragte er mit einer überraschend tiefen Stimme.
      »Ludwig Kern.«
      »Geboren?«
      »Dreißigster November neunzehnhundertvierzehn in Dresden.«
      »Also Deutscher?«
      »Nein. Staatenlos. Ausgebürgert.«
      Der Oberkommissär blickte auf. »Mit einundzwanzig? Was haben’s denn angestellt?«
      »Nichts. Mein Vater ist ausgebürgert worden. Da ich damals minderjährig war, ich auch.«
      »Und weshalb Ihr Vater?«
      Kern schwieg einen Augenblick. Ein Jahr Emigration hatte ihn Vorsicht mit jedem Wort bei Behörden gelehrt. »Er wurde zu Unrecht als politisch unzuverlässig denunziert«, sagte er schließlich.
      »Jude?« fragte der Schreiber.
      »Mein Vater. Meine

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