Liebe fuer ein ganzes Leben (Rosen-Reihe)
"Ich habe nur über etwas nachgedacht."
Er verdrehte die Augen. "Leider kann es nicht über mich gewesen sein, da wir uns bis nie begegnet sind." Er neigte leicht den Kopf. "Sie erlauben doch sicher, daß ich mich vorstelle?" fragte er und fuhr fort, ohne ihre Antwort abzuwarten: "Julian von Stetten."
"Daniela von Castan." Sie reichte ihm die Hand.
Er hob überrascht die Augenbrauen. "Ich dachte, Sie würden erst morgen kommen."
"Stimmt, ich bin einen Tag zu früh dran", gab Daniela zu. "Woher wußten Sie, daß mich mein Großonkel e rwartet?"
"Wir sind unmittelbare Nachbarn." Julian wies durch den Wald. "Der Besitz meiner Familie grenzt an den der Castans. Mein Vater und Ihr Großonkel spielen manchmal Schach zusa mmen. Man kann nicht gerade sagen, daß sie Freunde sind, aber es bestehen gutnachbarliche Beziehungen." Er lachte. "Ich bin auf der Suche nach meinem Hund. Arco ignoriert aus Prinzip alle Grenzsteine."
"Sie sind ja auch Menschenwerk."
"Wie wahr." Julian nickte. "Sicher treibt er sich wieder einmal hier herum." Er sah sie nachdenklich an. "Ich würde Ihnen gern etwas die Gegend zeigen. Morgen nachmittag hätte ich Zeit."
"Es kommt auf meinen Großonkel an", wandte Daniela z ögernd ein. Julian gefiel ihr und sie hätte am liebsten sofort die Einladung angenommen.
"Wie ich ihn kenne, wird er nichts dagegen haben", erwiderte der junge Mann. "Aber nun muß ich weiter." Er winkte ihr zu. "Bis morgen!"
"Bis morgen", antwortete sie. "Hoffentlich finden Sie Ihren Hund."
"Nun, er würde auch allein zurückkommen, aber man kann ja nie wissen, was er in der Zwischenzeit anstellt." Julian von Stetten winkte ihr erneut zu und verschwand gleich drauf zwischen den Bäumen.
Was für ein netter Mann, dachte Daniela und blickte ihm nach, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte, dann machte sie sich auf den Rückweg zum Herrenhaus. Auch wenn sie es sich nicht gerne eingestand, sie konnte es kaum noch erwarten, Julian wiederzusehen.
* * *
"Kannst du reiten, Daniela?" fragte Richard von Castan, als er am nächsten Morgen mit seiner Großnichte beim Frühstück saß.
"Nein, Onkel Richard", erwiderte die junge Frau. "Wo hätte ich es lernen sollen? Ich habe bisher mitten in Stuttgart gewohnt."
"Ja, in der Tat." Er nahm sich ein Brötchen. "Würdest du es gerne lernen?" fuhr er fort.
"Ja." Daniela nickte begeistert.
"Dann wirst du heute vormittag deine erste Reitstunde bekommen", bestimmte er. "Im Stall steht eine lammfromme, dreijährige Stute; sogar ein Kind müßte sich nicht vor ihr fürchten." Kritisch blickte er sie an. "Fürs erste werden Jeans reichen, aber du brauchst natürlich Reitkleidung. Frau Wieland wird an einem der nächsten Tage mit dir in die Stadt fahren und dann könnt ihr einkaufen, was nötig ist."
"Ich weiß nicht, Onkel Richard", meinte Daniela zögernd. "Bis jetzt bin ich immer gut mit den Sachen ausgekommen, die ich b esitze."
"Das mag sein, mein Kind, aber bisher hast du auch ein and eres Leben geführt. Du darfst niemals vergessen, daß du eine Castan bist. Es gehört sich für dich nicht, deine Kleidung in billigen Läden zu kaufen und..." Er unterbrach sich, weil er spürte, daß Daniela aufbegehren wollte. "Du darfst mir meine offenen Worte nicht übelnehmen", bat er. "Ich möchte doch für dich nur das Beste."
"Wie für meinen Vater?" entfuhr es der jungen Frau.
Das Gesicht ihres Großonkels wurde weiß. Er schluckte. "Sieht aus, als wollte ich schon wieder einen Menschen in eine von mir geschaffene Form pressen", sagte er leise. "Tut mir leid, Daniela."
"Mir auch, Onkel Richard", meinte sie schuldbewußt. "Ich wollte dich nicht kränken. Aber bitte, laß mir etwas Zeit, mich an all das Neue zu gewöhnen. Es ist nicht einfach für mich. Seit ich hier bin, hat sich mein Leben um hundert Grad gewendet. Ich muß erst lernen, daß Geld im Moment keine Rolle mehr für mich zu spielen scheint."
"Wir müssen beide lernen", gab er zu und umfaßte ihre Hand.
"Wo ist Frau Wieland?" fragte sie, um ihren Onkel auf andere Gedanken zu bringen.
"Sie hat gestern abend noch bis in die Nacht hinein für mich gearbeitet", erwiderte er. "Deshalb habe ich ihr bis heute nachmittag freigegeben."
"Arbeitet Frau Wieland schon lange für dich?" Daniela schü ttelte eine Haarsträhne aus ihrer Stirn. "Sieht aus, als sei ich sehr neugierig."
"Das macht nichts, Daniela." Das Gesicht des Gutsherrn e rhellte ein Lächeln. Er kannte die junge Frau noch keine vierundzwanzig Stunden, und doch erschien sie
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