Liebe in Zartbitter
Dinge muss sie das wohl.
Sabine schaut sich in ihrem kleinen Büro um. Es ist nicht zu vermeiden, dass ihr Gegenüber jedes Wort mithört.
Es gibt eine Anweisung von oben. Sie darf nicht offen sprechen. Dabei würde sie Lenchen gar zu gern erklären, warum statt Jerome nun jemand anderes mit nach Belgien fährt.
„Bitte, ich ruf‘ dich später an. Jetzt geht es nicht! Wirklich nicht!“, flüstert sie hastig, als bei ihrem Kollegen ebenfalls das Telefon klingelt und der für einen Moment abgelenkt ist. Dann legt sie auf. Lenchen wird sich noch ein wenig gedulden müssen.
Nachdenklich kostet Hendrik Würtz von dem bestellten Kaffee. Dünn und teuer. Der, den die Studentin im Bus zubereitet hat, ist bedeutend besser gewesen. Wie hieß sie gleich? Ach ja, Lena Bauer. – Ausgerechnet.
Wie ein Blitz hat es ihn getroffen, als er die für die Brüssel-Tour eingeteilte junge Frau ansah. Die konnte glatt als Schwester seiner Freundin durchgehen. Sicher, sie mag ein paar Jahre jünger sein und hat außerdem ein paar reizende Pfunde mehr an den richtigen Stellen, als sein überschlanker Schatz, aber sonst ist die Ähnlichkeit verblüffend. Vor Überraschung hat er am Morgen den richtigen Augenblick versäumt, sie zu begrüßen, sich vorzustellen und vor allem, ihr schonend die neue Sachlage beizubringen.
Hendrik rührt in dem Getränk herum, schiebt die Tasse dann jedoch von sich.
Mit der Vorahnung, dass es deshalb Probleme geben könnte, ist er – nicht eben bester Stimmung – schon sehr früh zum Treffpunkt der Reisegruppe aufgebrochen. Lena Bauers entzückender Anblick und ihre Art, mit den Passagieren umzugehen, hat ihm mit einem Schlag in gute Laune versetzt. Allerdings nur bis zu dem Moment, wo sie ihn energisch aus dem Bus herausgewinkt hat.
Er kann es sich noch immer nicht erklären, warum ihr selbstbewusstes, noch dazu völlig gerechtfertigtes Auftreten ihn veranlasst hat, so schroff zu reagieren und sie auf ihren Platz zu verweisen. Durchsetzungsvermögen ist schließlich Voraussetzung für den Reiseleiter-Job.
Ihre Reaktion ist durchaus verständlich gewesen, denkt er. Sie kann nicht wissen, aus welchem Grund ich urplötzlich für den unzuverlässigen Jerome Navarre einspringen und die Brüssel-Tour übernehmen musste, statt wie geplant die größere Toledo-Madrid-Sevilla-Route zu begleiten.
Die halbe Stunde ist abgelaufen. Beim Hinausgehen bemerkt Hendrik, wie Fritze Lena tröstend über den Arm streicht. Was die beiden reden, versteht er nicht.
Fühlt sie sich durch seinen Auftritt vor Fahrtantritt etwa gekränkt? Dann hat sie es gut verborgen, denn bei der Verteilung der Verpflegung haben sie perfekt Hand in Hand gearbeitet, die Reisenden sind jedenfalls zufrieden gewesen.
Eines will Hendrik Würtz auf keinen Fall: unnötigen Stress auf der Tour. Und die Kleine macht nicht den Eindruck, als ob sie sich so einfach die Butter vom Brot nehmen lässt.
Vielleicht kann ich mein Benehmen von heute Morgen ausbügeln, denkt er. Aber auf der Nase herumtanzen darf sie mir nicht, schränkt er seinen Versöhnungswillen gleich darauf wieder ein.
Er riskiert noch einen Blick auf das seltsame Gespann. Vom Äußerlichen abgesehen, ist die kratzbürstige Studentin ganz anders als seine zärtliche, anschmiegsame Freundin. Jeden weiteren vergleichenden Gedanken verkneift er sich schnell.
VI.
„... natürlich wie immer mit dem erforderlichen Fingerspitzengefühl. Ich verstehe, voll und ganz, Herr Kabinettssekretär ... Verlassen Sie sich ganz auf mich. Ich nehme sofort den notwendigen Kontakt auf ... Ja, sowie der Auftrag ausgeführt und das bewusste Manuskript sichergestellt ist, erhalten Sie die Information. Au revoir!“
Kaum ist das vertrauliche Gespräch mit dem Mitarbeiter aus dem Stab der Kanzlerin beendet, führt Christian Tulip ein weiteres Telefonat. Es verläuft zu seiner Zufriedenheit. Schon kurze Zeit später meldet ihm die Rezeption einen Besucher. Er lässt den Erwarteten auf sein Zimmer bitten.
„Zum Teufel! Wird das nicht eine Nummer zu groß für uns?“, flucht der Gast, kaum dass Christian mit der Sprache herausgerückt ist, worum es sich bei dem heiklen Auftrag handelt.
„Da gehen hochbezahlte Mitarbeiter mit einem vertraulichen Papier um, als sei es Propaganda-Material, das unter die Leute gebracht werden muss, und wir dürfen die Kastanien aus dem Feuer holen. Diplomatisch natürlich. – Wenn das publik wird, kann sich Madame Kanzlerin auf ein unangenehmes Rendezvous in
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