Liebe ist Finsternis (Valerie Dearborn) (German Edition)
Seele schon fort; nur Jack blieb am Küchentisch sitzend zurück, ein Buttermesser armselig fest mit seiner Hand umklammernd, ein wertloser Schutz gegen sie .
Marions saphirblaue Gewänder merzten den Rest der Welt aus.
Sie lief um den kleinen Küchentisch herum, an dem er jede Mahlzeit seines Lebens gegessen hatte. Sie flüsterte ihm zu und neckte ihn, wie eine Kokette.
Drei, vier Mal lief sie um den Tisch. Wie beim Häschen in der Grube spielen: die Qual, wenn sie hinter ihm vorbei lief, die Anspannung bei dem Wissen, dass sie an ihm vorübergehen, aber erneut vorbeikommen würde. Und wenn sie ihn wählte, würde er tot sein. Er sah, wie sie die Entscheidung traf, eine leichte Fratze verunstaltete ihr Gesicht, als sie nach ihm griff wie in Zeitlupe, ihre knochige Hand nach ihm ausgestreckt.
Beweg dich. Lauf weg. Tu irgendetwas !
Stattdessen saß er wie angewurzelt da, sah seinen Vater und dann seine Mutter an, prägte sich ihre Züge und diesen Augenblick ein....
Der leichteste Hauch ihrer Fingerspitze berührte ihn, wie ein Eiswürfel brennendes Fleisch. Er schrie.
„Jack! Jack! Wach auf.“
Beide Hände ergriffen ihn jetzt, die Laken ihre Komplizen, als sie versuchten, ihn wieder runterzuziehen. Ein Keuchen entfuhr seiner Brust.
Es war ein Traum gewesen. Marion war nicht hier. Jack war kein Junge mehr, sondern neunzehn und stark. Italien war vorbei, er war jetzt in Amerika und lebte bei den Menschen, die ihn gerettet hatten.
Mir geht’s gut .
Seine Hände bedeckten seine Augen, und er hörte Valeries Stimme sanft zu ihm sprechen. Doch sie enthielt ein Beben der Traurigkeit und Angst, so dass er versuchte, sich zusammenzureißen.
„Mir geht’s gut“, sagte er leise.
„Du hast ihren Namen gerufen“, sagte Valerie leise.
Gott, er hoffte, sie meinte seine Mutter. Der Atem blieb ihm in der Lunge stecken, als wäre eine Barriere gebaut worden, bevor er ausatmen konnte. „Ich habe von meinen Eltern geträumt.“
„Nein, du hast Marions Namen gesagt.“
Der Atem sickerte aus ihm heraus.
„Es ist fast zwei Monate her, dass du mich zuletzt mitten in der Nacht aufgeweckt hast. Ich schätze, ich berechne dir nichts für dieses Mal.“ Eine Pause. „Das ist gut, oder?“
Was war daran gut? Seine Eltern waren immer noch tot, er lebte immer noch in einem Albtraum, was sollte es also, wenn er einen oder zwei Monate nicht schreiend aufgewacht war? Was, verdammt noch mal?
Aber er lächelte sie trotzdem an, ihr übertrieben breites Lächeln und die gekünstelte Unschuld, die sie versuchte auszustrahlen. Denn sie wusste, dass nicht alles in Ordnung war. Valeries eigene Mutter war von Vampiren umgebracht worden, und das schaffte zwischen ihnen eine Verbindung, die aus Blut gemacht und stärker als Blut war.
„Wann hast du zum letzten Mal von deiner Mutter geträumt?“ Er klang normal.
Ihr Blick wich ihm aus. „Ich erinnere mich nicht mehr an meine Träume.“ Es war so, als ob sie ihm ein schmutziges Geheimnis gestand. Und vielleicht war es das, denn obwohl er die Träume hasste, war er jedes Mal, wenn er sie hatte, wieder mit seinen Eltern zusammen. Hörte ihr Lachen. Sah sie lebendig. Aber wenn er aufwachte, waren sie wirklich tot.
„Möchtest du dich erinnern?“ fragte er, ihre Hand in seiner haltend, als ob die Dunkelheit etwas weiter entfernt wäre, wenn sie zusammen waren.
„Nein. Und das solltest du auch nicht. Du musst es verdrängen. Alles dir Mögliche tun, um vorzugeben, es sei nicht geschehen.“
Jack lehnte sich vorwärts, schaltete die Nachttischlampe an, um ihr Gesicht zu sehen. „Du kannst dir nicht vormachen, unser Leben sei... gut.“
Ihr Blick war intensiv, als ob sie an der Startlinie eines Hundertmetersprints wäre. „Ich habe es jeden Tag gesehen und jetzt nicht mehr. Manchmal bin ich mir nicht mal sicher, dass ich da war. Und das ist –“
„Traurig“, sagte er und schnitt ihr das Wort ab.
„Nein“, sagte sie auf eine Weise, die ihn verdutzte und seine Aufmerksamkeit erregte, „sich nicht an ihren Tod zu erinnern, ist ein Wunder.“
Dann stand sie auf, ihren Kopf etwas neigend, so dass ihr schwarzes Haar wie ein Vorhang vor ihr Gesicht fiel und ging zur Tür hinaus. „Schlaf etwas, Jack. Morgen ist ein weiterer großer Tag.“ Sie klang elend.
Kapitel 3
San Loaran, Kalifornien
Vor 5 Jahren
Sie konnte Jack durch das Fenster sehen. Sie schaltete den Motor aus und wartete darauf, dass sein Kampfsportkurs zu Ende war. Der Kurs hörte auf,
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