Liebe ist kein Beinbruch
besorgten Brüder zusahen. Aber zumindest war sie zufrieden, dass sich die Verletzungen, dieer sich durch Zweige und Steine geholt hatte, mit denen er bei seinem Fall und der unsanften Landung in Berührung gekommen war, nicht infiziert hatten. Sie zog sich die Latexhandschuhe aus.
„Kommt er wieder auf die Beine?“, fragte Marcus.
Sie lächelte. „Soweit ich es beurteilen kann, ja. Er sollte allerdings über Nacht beobachtet werden. Fieber oder Schmerzen könnten auf innere Blutungen hinweisen. In einer Stunde sollte er wieder aufwachen“, sagte sie und wusch sich die Hände mit einem Desinfektionsmittel. „Ich habe den Wasserturm bei meiner Ankunft gesehen. Er kann von Glück sagen, dass er als Folge des Sturzes nur kleinere Blessuren davongetragen hat.“
Marcus’ Blick verfinsterte sich. „Eines Tages wird unser kleiner Bruder sein Glück überstrapazieren.“
Kendall stieß Marcus den Ellbogen in die Rippen, als wollte er nicht, dass sein Bruder Familienangelegenheiten ausplauderte. „Es ist nett von Ihnen, dass Sie Porter nach einem langen Tag noch behandelt haben, Dr. Salinger. Sie müssen müde und hungrig sein.“
„Das bin ich“, gab sie zu.
„Die Männer wollen heute Abend ein Barbecue auf der Wiese veranstalten, um unsere Gäste willkommen zu heißen“, sagte Marcus. „Wir hoffen, dass Sie auch kommen.“
Nach ihrer verwirrenden Begegnung mit Porter Armstrong brauchte sie ein wenig Zeit für sich, um ihre Entscheidung, nach Sweetness zu kommen, zu überdenken. Im Nachhinein betrachtet hatte sie keine Ahnung von den möglichen Konsequenzen gehabt, als sie ihre Sachen packte, um mehrere Bundesstaaten von zu Hause entfernt aus dem Nichts eine neue Praxis aufzubauen. Und der Unterhaltung zufolge, die sie vorhin mitbekommen hatte, schien es so, als würde nicht jeder in Sweetness ihre Dienste begrüßen. Sie fing an zu glauben, dass sie doch nicht für einen Neubeginn bereit war – je-denfalls nicht an einem Ort, an dem sie dazu verdammt war, eine Niederlage einstecken zu müssen.
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht“, sagte sie, „werde ich das Barbecue ausfallen lassen und mich ins Bett zurückziehen.“
„Wir haben Ihnen eines der schöneren Zimmer reserviert“, sagte Kendall eifrig. Er reichte ihr einen Schlüssel mit der Nummer 225.
„Ihre Koffer sind schon auf dem Zimmer“, fügte Marcus hinzu.
Die beiden sahen sie an wie hoffnungsvolle kleine Jungs.
„Danke“, sagte sie. „Ich werde mich frisch machen und dann noch mal nach Ihrem Bruder sehen. Er scheint mir jemand zu sein, der wehrhaft wird, wenn er aus der Narkose erwacht. Sie sollten bei ihm bleiben, damit er sich nicht selbst verletzt.“
„Das werden wir“, erwiderte Kendall. „Danke, Dr. Salinger.“
„Ja, danke, Dr. Salinger“, echote Marcus und schüttelte ihr die Hand. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh wir sind, dass Sweetness nun einen Arzt hat.“
Nikki befeuchtete ihre Lippen. „Ich habe einige der Männer vorhin von einem Dr. Riley sprechen hören?“
„Riley Bates“, entgegnete Kendall. „Er ist kein Arzt. Er verabreicht den Männern Hausmittelchen, um kleinere Zipperlein zu kurieren.“
Großartig! Sie musste mit einem selbst ernannten Medizinmann konkurrieren.
„Er ist keine Konkurrenz“, versicherte Marcus. „Alle sind froh, dass Sie hier sind.“
Doch das gezwungene Lächeln der Brüder zeigte ihr, dass sie ebenfalls das Murren einiger Männer über den „weiblichen Doktor“ gehört hatten.
„Hängen Sie noch nicht mein Praxisschild auf, meine Herren. Nachdem ich die Stadt jetzt gesehen habe, muss ich nochein bisschen nachdenken.“ Nikki griff nach ihrem Arztkoffer und ging mit müden Schritten zur Tür. Vielleicht würde sie sich nach einer ausgedehnten heißen Dusche besser fühlen.
Falls es an diesem Ort heißes Wasser gab.
An diesem Ort gab es kein heißes Wasser.
Fröstelnd stand Nikki unter der Dusche. Ihre Zähne klapperten. Nach einem langen schweißtreibenden Tag hatte dieser eisige Schwall sich erfrischend angefühlt … für ungefähr fünf Sekunden. Dann war das kalte Wasser auf ihrer Haut wie Nadeln gewesen, die sie bis auf die Knochen gespürt hatte. Hastig shampoonierte sie ihre Haare und seifte sich ein. Aber von der entspannenden Dusche, die sie sich eigentlich erhofft hatte, war das alles weit entfernt. Sie stellte das Wasser ab und hüllte sich in ein großes Handtuch. Noch immer zitternd trat sie aus dem Bad in das Schlafzimmer, das ihr
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