Liebe ist kein Beinbruch
die Verbundenheit, die Porter Armstrong und seine Brüder für diese Berge empfanden, wuchs. Plötzlich sah Nikki zwischen den Blättern und Steinen auf dem Boden etwas funkeln. Sie bückte sich, um es näher zu betrachten.
„Was haben Sie da?“, fragte Porter und blieb stehen.
Sie wischte die Steine und Blätter beiseite und grub mit den Fingern den verdreckten Gegenstand aus, der an einer Kette hing.
„Das ist eine Taschenuhr“, sagte Porter mit einem Lächeln. „Gutes Auge.“
„Jemand muss sie verloren haben, als er hier spazieren gegangen ist.“ Sie reichte sie ihm.
„Vielleicht“, stimmte er zu, rieb den Schmutz ab und betrachtete das Schmuckstück näher. „Oder vielleicht hat sie auch der Tornado hierher geblasen. Wir finden jeden Tag Gegenstände, die vom Sturm übers Land verteilt worden sind – Schmuck, Werkzeuge, Möbel und manchmal sogar Fotos.“
„Gibt es eine Möglichkeit, den rechtmäßigen Besitzer ausfindig zu machen?“
Er lächelte sie an. „Wir können es versuchen. Es ist an der Zeit, dass Sie Colonel Molly kennenlernen. Auf geht’s!“
Während der Rückfahrt auf dem Quad bemühte Nikki sich, Porters breitem Rücken nicht zu nahe zu kommen. Doch durch die physikalischen Kräfte, die bei der Fahrt wirkten, wurde sie immer wieder an ihn gedrückt. Sie wollte nicht zulassen, dass sie das Gefühl mochte, ihre Arme um seine Taille zu schlingen. Sie wollte nicht zulassen, überhaupt etwas an diesem Mann zu mögen – oder an sonst einem Mann, um genau zu sein. Die Nachricht von Darrens Verlobung mit der jungen Striptänzerin, mit der er sie betrogen hatte, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Quälend hallte es in ihren Ohren wider. Wie dumm konntest du nur sein? Männer verlieben sich nicht in Frauen wie dich. Männer wollen eine Sexbombe an ihrer Seite und in ihrem Bett …
Auf der medizinischen Hochschule oder während ihrer Assistenzzeit hatte sie keine Zeit gehabt, sich mit Männern zu treffen. Sie hatte sich daran gewöhnt, allein zu essen und allein zu schlafen. Als der Rechtsanwalt Darren Rocha mit einer Grippe in die Gemeinschaftspraxis gekommen war, in der sie in Broadway gearbeitet hatte, hatten sie sich auf Anhieb auf einer intellektuellen Basis gut verstanden. Daraus hatte sich ihre Beziehung dann langsam entwickelt. In der Nacht, als Darren ihr einen Antrag gemacht hatte, hatte sie noch lange wach neben ihm im Bett gelegen und über ihr Glück nachgedacht und dass das alles zu schön war, um wahr zu sein.
Rückblickend betrachtet hatte sie mit dieser Einschätzung mehr als richtiggelegen.
Plötzlich hielt Porters Hand die ihre fest. „Geht es Ihnen gut dahinten?“, rief er über die Schulter.
Instinktiv zog sie ihre Hand aus seinem Griff. „Mir gehtes gut“, erwiderte sie in einem schärferen Ton, als sie eigentlich wollte.
Wenn jemand, dem man vertraute, einen so durch und durch und so öffentlich betrog und demütigte, war das schmerzhaft. Aber viel schlimmer war für Nikki die Erkenntnis, dass sie ihrem eigenen Urteil, was Männer anging, nicht trauen konnte. Alle Männer hatten Ecken und Kanten, die erst im Laufe der Zeit ans Licht kamen.
Nach ein paar Minuten wurde das Gelände flacher, und das Dach der Pension war schon zu sehen. Porter lenkte das Fahrzeug zurück auf den Parkplatz und stellte den Motor ab. Nikki stieg ab und war erleichtert, ihm nicht mehr so nahe sein zu müssen. Doch ihre Gedanken überschlugen sich noch immer, und ihre Hände zitterten, wenn sie an Amys Neuigkeiten dachte. Fahrig nestelte sie am Verschluss ihres Helms.
„Lassen Sie mich Ihnen helfen“, bot Porter an.
Sie wollte widersprechen, aber er schob ihre Hände beiseite, stützte sich mit den Ellbogen auf den Krücken ab und öffnete den Verschluss. Sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen, und starrte stattdessen auf sein Kinngrübchen. Ein Kinngrübchen war eigentlich nur eine Fehlbildung der Knochen, das unvollständige Zusammenwachsen der linken und der rechten Seite des Kiefers während der Fetalentwicklung.
Doch es war eine ziemlich reizvolle Fehlbildung.
„Danke für die Fahrt“, sagte sie steif und nahm den Helm ab.
„Kein Problem, meine kleine Frau Doktor.“ Mit dem Zeigefinger hob er sanft ihr Kinn an. „Ist da oben auf dem Wasserturm irgendetwas vorgefallen?“
Seine Stimme klang einfühlsam, aber sie ermahnte sich, dass sie diesem Mann nur leidtat. Er hatte seinen Brüdern gegenüber mehr oder weniger zugegeben, dass er sie nur aus Mitleid geküsst
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