Liebe ist staerker als Haß
gelingen, die Peregrines völlig auszurotten.
Zared hielt an. Sie mußte zurückreiten. Sie mußte verhindern, daß dieser Mann starb. Aber was war, wenn er inzwischen wieder genügend Kräfte gesammelt hatte, um sie zu überwältigen und als Gefangene zu seinem Bruder zu bringen.
Zared umklammerte den Kopf mit den Händen, wie um solche Gedanken zu bannen. Ihr ganzes Leben lang hatten ihr die Brüder alle Entscheidungen abgenommen. Sowohl Rogan wie Severn würde über die Entführung ihrer Schwester durch einen Howard so wütend sein, daß sie ohne Bedenken den jüngsten Howard töten würden. Sollte sie zu ihren Brüdern reiten und ihnen sagen, was wirklich vorgefallen war? Sollte sie Öl ins Feuer ihres Hasses gießen? Den alten Groll, die alten Wunden wieder aufreißen?
Doch sie war ja selbst an ihrer Entführung schuld. Severn und Rogan hatten sie wieder und wieder vor den Howards gewarnt, die vor ihrem Besitz auf der Lauer lagen.
Nein, sie mußte zu dem Mann zurückreiten. Er durfte nicht verbluten, sonst würde es Krieg geben. Sie würde ihm das Schwert abnehmen und ihm, wenn nötig, Hände und Füße fesseln, ehe er sie überwältigen konnte. Sie mußte alles tun, um einen Krieg zu verhindern.
Voller Bedauern sah Tearle das Mädchen wegreiten. Jetzt würde er sie nie Wiedersehen. Ein Lächeln huschte über seine Züge: Die Peregrines und die Howards pflegten nun mal keinen gesellschaftlichen Verkehr.
Er sah an sich herab, auf das dahinsickernde Blut. Dann zog er den Waffenrock hoch, um die Wunde zu untersuchen. Die Klinge war an den Rippen abgeglitten. Er konnte froh sein, daß sie noch keine Erfahrung im Messerstechen hatte, sonst hätte sie ihn ernsthaft verletzt.
Sein Blick schweifte über die Lichtung. Sie war mit seinem Pferd davongeritten. Sollte er zu Fuß bis zur Burg seines Bruders gehen? Er überlegte, wie lange es dauern würde, bis die drei Männer bei Oliver einträfen. Wie lange Oliver dann brauchen würde, um einen Reitertrupp auf die Suche nach Tearle und seiner gefangenen Peregrine auszuschicken.
Vier Stunden, dachte Tearle. In vier Stunden würde sein Bruder hier sein. Bis dahin konnte er sich ausruhen und hoffen, daß die Blutung aufhörte. Er streckte sich unter einem Baum aus und schlief bald ein.
Zared stieg ein kleines Stück vor der Lichtung ab und ließ das Pferd dort zurück. Dann schlich sie mit dem Messer in der Hand zu der Stelle, wo sie den Mann zurückgelassen hatte.
Sie sah ihn ausgestreckt auf dem Boden liegen und dachte: Er ist tot! Schon tot, nicht mehr zu retten! Ich bin zu spät gekommen!
Tearle hatte sie schon seit geraumer Zeit kommen hören. An ihrem leichten Schritt hatte er sie erkannt. Er unterdrückte ein Lächeln. Da hatte sein Bruder immer behauptet, es wären grausame, unmenschliche Ungeheuer! Diese Peregrine zumindest hatte auch eine weiche Charakterseite. Er durfte sie nicht erschrecken, nicht wieder in die Flucht jagen. Er beschloß, sich hilflos zu stellen und sie so lange wie möglich bei sich zu halten.
Er bewegte sich nur ganz wenig und ließ ein schmerzliches Stöhnen hören.
Zared fuhr bei dem Geräusch in die Höhe. Doch dann seufzte sie erleichtert auf. Er war noch am Leben! Vorsichtig bewegte sie sich weiter und schlich dicht an ihn heran. Das Messer stoßbereit in der Hand, berührte sie ihn mit dem Fuß. Wieder stöhnte er leise.
»Ein Priester«, ächzte er. »Hol mir einen Priester!«
Daraufhin ließ Zared alle Vorsicht außer acht. Sie mußte ihn retten. Sie kniete neben ihm nieder, schlitzte ihm den Waffenrock auf und untersuchte die Wunde. Sie hatte die Rippen getroffen, konnte aber nicht feststellen, wie tief die Wunde ging. Er hatte wenig Fleisch auf den Rippen, nur Haut und Muskeln, schien aber viel Blut verloren zu haben.
Dann betrachtete sie sein Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen und sah aus, als hätte er Schmerzen. Waren die Howards so schwach, daß sie an so leichten Wunden starben? Sie hatte erlebt, wie ihre Brüder mit ähnlichen Wunden noch einen ganzen Tag lang weiterkämpften, bevor sie sich verbinden ließen. Doch dieser Mann verlangte schon bei einer einfachen Stichwunde nach einem Priester.
Sie schnitt ein Stück von seinem Waffenrock und einen langen Streifen von seinem Leinenhemd ab. Ein anderes Stück des Hemds preßte sie auf die Wunde und versuchte dann, den Leinenstreifen um seinen Körper zu wickeln.
Aber er war so schwer, daß sie ihn nicht anheben konnte. Ebensogut hätte sie ein totes Pferd
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