Liebe ist staerker als Rache
wohlgeformten Beine und das kurze Kleid aus einem schimmernden Material, das ihren schlanken Körper wie eine zweite Haut umgab. Aber irgendwie kam sie ihm seltsam vertraut vor. Auch das rabenschwarze Haar, das ihr in wilden Locken über den Rücken floss – und dann drehte sie sich um. Sogar aus der Entfernung sah er, wie sie einen Moment erstarrte. Dann ging sie weiter – geradewegs auf ihn zu.
Absurderweise überkam ihn der Impuls zu flüchten. Ein Gedanke durchzuckte ihn, aber sofort tat er ihn als unsinnig ab. Nein, das kann nicht sein. Das ist doch Jahre her … und sie war damals in London.
Das Gemurmel der Menge erschien ihm plötzlich ganz weit weg, und dann blieb sie vor ihm stehen. Sie ist es wirklich – und sie ist wunderschön! An Attraktivität hatte es ihr ja nie gemangelt – sie wirkte schon immer wie eine Elfe – aber sie hatte sich zu einer wahren Schönheit entwickelt. Ihre königliche Haltung, ihr schlanker und doch weiblicher Körper machten sie einfach unwiderstehlich – gefährlich unwiderstehlich.
Nic war gar nicht bewusst gewesen, dass er sie so unverblümt musterte, bis er bemerkte, dass ihr das Blut in die Wangen gestiegen war. Was eine direkte – und unmissverständliche Wirkung – auf seine Hormone ausübte.
Schlagartig wich die Langeweile, deren er noch eben scherzhaft bezichtigt worden war. Widerstrebende Gefühle durchströmten ihn. Dominierend war jedoch das Gefühl von Verrat und Demütigung. Immer noch – nach all den Jahren. Er begrub seinen inneren Aufruhr unter einer Lawine eiskalter Wut – Hauptsache, sie tötete das Begehren, das ihn so heftig erfasst hatte. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er ihrem Blick begegnete. Diesem Blick aus den grünsten Augen der Welt. Er mobilisierte die letzten Reserven an Selbstbeherrschung. Nur nicht an die Vergangenheit denken, nur nicht daran, wie es war, in den Tiefen dieser smaragdgrünen Augen zu versinken und sich in ihnen zu verlieren. Leider war ihm das schon einmal passiert.
„Madalena Vasquez“, sagte er gedehnt. Nichts verriet seinen inneren Aufruhr. „Was willst du denn hier?“
Maddie zuckte innerlich zusammen, bemühte sich jedoch, äußerlich gelassen zu wirken. Es gab einmal eine Zeit, da hat er mich „Maddie“ genannt, dachte sie. Die wenigen Schritte von der Tür bis zu ihm waren ihr unüberwindbar vorgekommen. Dass die Schuhe ihrer Mutter eine Nummer zu groß waren, machte es nicht leichter, die Contenance zu bewahren. Sie registrierte, wie das Stimmengewirr um sie herum erstarb. Zweifelsohne waren die geflüsterten Bemerkungen nicht gerade schmeichelhaft. Wahrscheinlich reden jetzt alle über den Skandal, als Vater Mutter und mich vor acht Jahren aus dem Haus warf.
Nicolás de Rojas’ Mund verzog sich zu einem bemühten Lächeln. „Darf ich dir mein Beileid zum Tod deines Vaters aussprechen?“
„Das kannst du dir sparen! Sein Tod ist dir doch völlig gleichgültig“, fuhr sie ihn mit unterdrückter Stimme an. Trauer und hilfloser Zorn schnürten ihr die Kehle zu.
Der Mann verschränkte die Arme vor der Brust. Die Geste ließ seinen durchtrainierten Oberkörper noch beeindruckender wirken. Ein Schauer überlief Maddies nackten Rücken.
„Stimmt – es lässt mich ziemlich kalt. Aber ich kann zumindest der Höflichkeit Genüge tun.“
Das Blut schoss Maddie ins Gesicht. Sie hatte vor ein paar Jahren in der Zeitung gelesen, dass sein Vater gestorben war. Sie beide entstammten Familien, die ohne mit der Wimper zu zucken auf den Gräbern der jeweils anderen getanzt hätten. Es war jedoch sicher nicht ihre Art, sich über den Tod eines Menschen zu freuen – nicht einmal über den eines Feindes. „Zum Tod deines Vaters ebenfalls herzliches Beileid“, kondolierte sie steif.
Nic hob die Brauen, und sein Gesichtsausdruck wurde hart. „Nicht zum Tod meiner Mutter ebenfalls? Sie hat sich umgebracht, als sie von der Affäre zwischen deiner Mutter und meinem Vater erfuhr … übrigens durch deinen Vater.“
Alle Farbe wich aus Maddies Gesicht. Ihr war nicht klar gewesen, dass Nic von dem Verhältnis wusste. Sie registrierte, dass er seine eisige Wut kaum unter der Maske eisiger Höflichkeit verbergen konnte. Ihr schwindelte. „Das … das wusste ich nicht.“
Mit einer brüsken Geste unterbrach Nic sie. „Natürlich nicht. Du konntest es ja nicht erwarten, das Vermögen eurer Familie in Europa zu verprassen – zusammen mit deiner Mutter, dieser, dieser …“
Wie
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