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Rebellion Der Engel

Rebellion Der Engel

Titel: Rebellion Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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S chweigend klammerte sich das Mädchen an die Hand seines Vaters und starrte auf den Sarg, der langsam in die Grube hinabgelassen wurde. Der Pfarrer stand daneben, seine Lippen bewegten sich, doch die Worte gingen im Rauschen des Regens und dem Wispern trauriger Gedanken unter. Ein Meer von schwarzen Schirmen umringte das offene Grab, die weißen Klappstühle dahinter waren nass und verlassen.
    Regen rann dem Mädchen über die Hutkrempe, tropfte ihm ins Gesicht und mischte sich mit den stummen Tränen, die über seine Wangen rannen. Ihr Vater war der Einzige, der keinen Schirm hielt. Er hatte jeden fortgeschickt, der ihm und der Kleinen einen angeboten hatte.
    Je weiter der Sarg in der Tiefe verschwand, desto mehr drängte es das Mädchen danach, zu schreien. »Hört auf«, wollte es rufen. »Lasst Mommi da raus! Ihr dürft sie nicht einsperren!« Beim Anblick des Vaters blieben ihr die Worte jedoch im Hals stecken. Er würde nicht wollen, dass seine Tochter noch einmal die Fassung verlor und ihn blamierte, wie sie es bereits auf der Trauerfeier getan hatte. Bis zu diesem Morgen hatte man ihr erzählt, dass ihre Mutter jetzt an einem anderen, besseren Ort sei und nicht mehr nach Hause kommen würde. Dann hatte sie sie gesehen, in dem dunklen Sarg, umgeben von Unmengen weißer Lilien. Ihr Gesicht war anders gewesen, als das Mädchen es in Erinnerung hatte, bleich und fremd, nicht länger die vertrauten Züge der Mutter. Jemand hatte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter gelegt und erklärt, dass es der Unfall war, der ihre Züge verändert habe. Der Unfall. Zwei Worte, die seit Tagen unausgesprochen im Haus hingen. Sie waren überall, schienen beinahe greifbar zu sein, dochniemand wollte dem Mädchen erklären, was passiert war. Nicht einmal der Vater sagte etwas, der sonst immer da gewesen war, Trost und Wärme gespendet und selbst für die kompliziertesten Fragen einfache Erklärungen gefunden hatte. Seit jenem Abend, an dem die Mutter nicht nach Hause gekommen war, hatte er kaum ein Wort gesprochen.
    Am Ende der Trauerfeier, nachdem alle noch einmal vor dem Sarg innegehalten hatten, manche weinend, andere schweigend und wieder andere mit Abschiedsworten auf den Lippen, kam ein Mann in einem dunklen Anzug und schloss den Deckel des Sargs. Das Mädchen stand neben seinem Vater und starrte auf die dunkle Oberfläche. Weder die Verzierungen noch die verschnörkelten Griffe konnten darüber hinwegtäuschen, dass es nichts weiter war als eine Kiste. Zu klein und zu eng, um die Mutter darin atmen zu lassen.
    Das Mädchen hatte zu schreien begonnen und versucht, den Sarg zu öffnen. Es hatte mit seinen kleinen Händen an den Verschlüssen gerüttelt und sich dagegengestemmt, bis der Vater es gepackt und fortgezerrt hatte. Das Mädchen hatte sich gegen den Griff gewehrt und versucht, seinen Vater davon zu überzeugen, die Mutter aus ihrem Gefängnis zu befreien. Blumengestecke waren umgestürzt, entsetztes Gemurmel hatte die Stille gefüllt, die schwer auf dem Raum gelastet hatte. Schließlich hatte der Vater seine Tochter von sich gestoßen, die Züge im Zorn verzerrt. Ehe sein Donnerwetter jedoch niedergehen konnte, schob sich eine Tante dazwischen und schloss ihre Arme um das Mädchen.
    »Deine Mama ist jetzt an einem besseren Ort«, hatte die Tante unter Tränen gesagt. »In dieser Kiste ist nur ihr Körper.«
    »Aber wie kann sie dann woanders sein?«, hatte das Mädchen verständnislos gefragt.
    »Ihre Seele ist es.« Die Tante erklärte dem Mädchen, dassdie Seele der Kern des Menschen sei, jener Ort, der auch das Herz in sich trage. »Du kannst sie nicht sehen, Liebes, denn sie ist jetzt bei den Engeln, aber ein Teil von ihr wird immer bei dir sein.«
    Ehe die Kleine noch weitere Fragen stellen konnte, hatte der Vater sie bei der Hand genommen und nach draußen, über den Friedhof hin zu einer offenen Grube geführt.
    Als der Sarg außer Sicht verschwand, schloss das Mädchen die Augen.
    Schließlich hatte die Gesellschaft, eine Mischung aus Verwandten, Bekannten und Menschen, die das Mädchen noch nie zuvor gesehen hatte, den Friedhof verlassen und war zu ihnen nach Hause gekommen. Es gab Kuchen und Schnittchen, alles schmeckte nach Traurigkeit.
    Die Gesichter der Männer und Frauen, die an dem Mädchen vorüberzogen, es umarmten, ihm über den Kopf strichen und es in leere Phrasen über rasch vergehenden Schmerz hüllten, verschwammen hinter mühsam zurückgehaltenen Tränen. Das Mädchen musste sich auf die

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