Liebe kennt keine Gefahren
unten.
Jess ließ die Türklinke los und funkelte ihn wütend an.
Er faßte sie unter dem Kinn und hob ihr Gesicht an. »Sie sieht nicht gerade häßlich aus. «
»Sie ist das hübscheste Mädchen der Stadt, ja, im ganzen Kreis, und das weißt du auch. Manche Matrosen behaupten sogar, sie sei das schönste Mädchen der Welt. Jedenfalls hätten sie kein schöneres in allen fünf Erdteilen angetroffen. «
Alex ließ Jessicas Kinn wieder los und trat einen Schritt zurück. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist, als ich sie fragte, ob sie mich heiraten würde. Es kann wohl nur Mitgefühl gewesen sein. Sie tat mir leid, nachdem ich miterleben mußte, wie dieser dicke alte Mann sie überall gegrapschte, als wäre sie ein Schlachthuhn. « Er zupfte an den Spitzen seiner Manschette.
»Ja, natürlich, Alexander. Aber du hast sie nun einmal gefragt, ob sie dich heiraten möchte, und wir wollen doch nicht, daß man in der Stadt den erlauchten Namen der Montgomerys mit einem gebrochenen Eheversprechen in Zusammenhang bringt, nicht wahr? «
»Ich würde dich nicht heiraten, auch wenn man... «
Eleanor hielt Jessica mit beiden Händen den Mund zu.
Alex wandte sich ab und unterdrückte ein Gähnen. »Eine Frau ist so gut wie die andere, denke ich. Und es wäre schon von Vorteil, eine feste Frau zu laben statt eine von diesen lehnspflichtigen Weibern, die kommen und gehen, wenn sie ihre Zeit abgedient haben. Kaum hat man eine von diesen Weibern abgerichtet, verläßt sie einen schon wieder. Ich denke, daß du auch bald heiraten und uns verlassen wirst, Eleanor. Was sollen wir also jetzt machen? Den Hochzeitstermin festsetzen? « Er nahm wieder in seinem Sessel Platz und griff zu seinem Buch. »Schön, in vier Tagen muß sie verheiratet sein. Aber ihr könnt schon heute abend hier einziehen. Und du quartierst deine männlichen Geschwister in Adams Zimmer ein, und dich selbst und die Mädchen in Kits Zimmer, Eleanor. Und gib ihnen allen etwas zu essen. «
Jess schubste Eleanor mit beiden Armen zur Seite. »Wir Taggerts nehmen keine Almosen! «
»Aber das sind keine Almosen, meine Liebe. Es bleibt doch alles in der Familie. «
Eleanor zerrte Jess hinter sich her aus dem Zimmer. »Vielen Dank, Alexander. Der Allmächtige wird dich für deine Großzügigkeit mit einem Platz zu seiner Rechten belohnen. «
»Und auch Kleider für alle, Eleanor. Ich möchte nicht, daß Kinder, die unter meinem Dach leben, in Lumpen herumlaufen. «
»Ja, Alexander, Gott segne dich, Alexander«, sagte! Eleanor und machte rasch die Tür hinter sich zu.
Kapitel 14
Jessica saß auf dem Boden der Taggertschen Hütte, das Gesicht dem Herd zugekehrt, und röstete einen Fisch, den sie an einem langen Stock aufgespießt hatte, über dem Feuer. Das Haus schien unheimlich still zu sein, seit die Kinder ausgezogen waren. Niemand lachte oder weinte, sprang ihr auf den Rücken oder bettelte, auf ihren Schultern reiten zu dürfen Sie hätte diese Ruhe eigentlich als Erholung empfinden sollen, vermißte statt dessen aber die Kinder. Selbst Eleanor fehlte ihr. Vielmehr vermißte sie die Eleanor von Anno dazumal, als diese noch nicht ständig mit ihr gezankt hatte.
Vor zwei Tagen, als Alexander ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatte Eleanor noch am späten Abend das wenige, was von ihrer Habe geblieben war, zusammengepackt und war in das Haus der Montgomerys gezogen.
Jessica hatte sich geweigert, die Hütte zu verlassen. Sie hatte noch einmal ihren Standpunkt bekräftigt, daß sie nicht die Absicht habe, Alexander zu heiraten, und deshalb auch nicht in sein Haus zöge. Da hatte Eleanor sie angebrüllt und ihr Sachen an den Kopf geworfen, die Jessica sehr verwunderten. Sie fragte sich, von wem ihre Schwester solche Schimpfwörter gelernt haben könnte. Sie, Jessica, würde schon noch zur Vernunft kommen, hatte Eleanor gesagt, und deshalb würde sie mit den Kindern in Montgomerys Haus warten, bis Jessica sich dazu bequeme, nachzukommen.
Seit jenem Abend wohnte Jessica allein in der Hütte. Alexander, dieser aufgeblasene Esel, hatte von einem Gemeindediener seine Verlobung mit Jessica in der Stadt ausrufen lassen. Als einige ihrer hartnäckigeren Freier sich geweigert hatten, den Platz vor der Hütte zu räumen, war dieser arrogante russische Kammerdiener von Alex erschienen und hatte mit seinem Degen ein wenig an den Kleidern der hartnäckigen Freier herumgeschnippselt. Als Jessica eines Abends vom Fischen zur Hütte zurückkam, hatte sie einen
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