Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
er die Stelle jahrelang blockiert. Und was mache ich dann?«
»Grace, komm schon, so schlimm ist es nicht.«
»Doch, Wendy. Ich gebe mir drei Monate. Wenn er bis dahin nicht weg ist, bin ich es.«
»Und wo willst du hin?«
»Keine Ahnung. Zu irgendeiner anderen Firma, die mich nimmt.«
»Aber was ist mit Schleimi? Er liebt dich!«
»Nein, Wendy. Er hat gerade bewiesen, dass er nicht besonders viel von mir hält.«
»Grace, das ist nicht wahr.«
»Wendy, wäre ich männlich und ein eingebildeter Schnösel, hätte ich den Job bekommen. Aber weil ich weiblich bin und dazu klein und blond, gehe ich leer aus. Ich kann dir gar nicht sagen, wie wütend mich das macht. Weißt du was? Ich werde kämpfen. Ich werde dafür sorgen, dass der Schönling es bereut, sich bei MAKE A MOVE jemals beworben zu haben. Und du wirst mir dabei helfen, Wendy. Hilf mir, ihm das Leben zur Hölle zu machen.« Ich blicke in den Spiegel und stoße einen Brüller aus.
»O Scheiße«, murmelt Wendy.
Sie folgt mir aus dem Waschraum ins Büro. Die Titelmelodie von Rocky spielt in meinem Kopf. Ich werde so viele Immobilien verkaufen, dass dieser Schnösel es mit der Angst zu tun bekommt. Ich werde so viele Immobilien verkaufen, dass Ken heulend bei mir angekrochen kommt, weil er seinen Fehler bereut. Ich werde so viele Immobilien verkaufen, dass für die anderen nichts mehr zu verkaufen übrig bleibt.
Man hat den Schnösel an den ehemaligen Schreibtisch von Großmotz gesetzt. Ich gehe an meinen Platz.
»Was ist das?«, frage ich in frostigem Ton. Ein Stapel Formulare liegt mitten auf meinem Tisch.
»Fragebögen für die Wahl zum Immobilienmakler des Jahres«, antwortet Posh Boy. Er sieht wirklich unheimlich gut aus. Das ist nervig.
»Was?«
»Wenn Sie einen Verkauf abschließen, bitten Sie Ihre Kunden hinterher, den Fragebogen auszufüllen. Es gibt eine Auszeichnung für die beste Immobilienagentur, zu der ich MAKE A MOVE machen möchte, und einen Preis für die beste Einzelleistung. Den habe ich letztes Jahr bekommen.«
Ich starre Posh Boy an. Er lächelt – ich nicht. Ich werde dieses Jahr gewinnen, beschließe ich. Entweder Posh Boy oder ich. Lasst das Spiel beginnen.
Neben den Fragebögen liegt einsam eine Visitenkarte. JOHN ST. JOHN SMYTHE – BEZIRKSLEITER LONDON . Ich rümpfe die Nase, als würde ein totes Nagetier vor mir liegen. Am liebsten würde ich die Karte direkt in den Papierkorb werfen, aber das mache ich nicht. Ich bin besser. Ich stecke sie in meine Handtasche. Ich werde sie bei der nächsten Gelegenheit als Zahnstocherersatz benutzen.
Das Telefon klingelt, und Posh Boy greift nach dem Hörer, aber ich bin schneller als John Wayne, wenn es darum geht, das Telefon zu beantworten, und komme ihm zuvor.
»Guten Morgen, MAKE A MOVE Immobilien.«
»Spreche ich mit der Chefin?«
»Nein, ich bin immer noch die gewöhnliche alte Gracie Flowers.«
»Du wirst nie gewöhnlich sein, Gracie Flowers. Hör mal, hast du Lust, mir ein paar Häuser zu verkaufen?«
»Ich liebe den Plural, Bob. Was darf’s denn sein?«
Bob der Baumeister, den ich so nenne, weil er tatsächlich ein Baumeister ist, ist mein bester Kunde. Er hat ein eigenes Bauunternehmen, und er kauft alles, was saniert werden muss. Dann schickt er seine Jungs hin, lässt das Objekt verschönern und beauftragt schließlich uns mit dem Verkauf.
»Okay, wir haben diesen Riesenkasten auf der Shirland Road. Den hat noch keiner besichtigt.«
»Wie ist der Zustand?«
»Ein richtiges Drecksloch«, antworte ich. Ich erwähnte ja, dass ich nicht lügen kann. »Dann gibt es noch so einen Härtefall in der Nähe der Harrow Road. Der ist erst letzte Woche reingekommen. Der wäre auch was für dich.«
Ich nehme wahr, dass Posh Boy mit offenem Mund zu mir herüberstarrt. Ich wette, dort, wo er herkommt, bezeichnet man Immobilien nicht als Dreckslöcher. Wahrscheinlich verwendet man eher Begriffe wie »gute Ausstattung« und »beneidenswerte Lage«. Und kommt mir nicht mit »Architektendesign«. Architektendesign! Wer soll das Haus sonst designt haben? Eine Kantinenfrau? Ich kann solche Makler nicht leiden.
»Bombig, Gracie, genau nach meinem Geschmack.«
»Okay, Bob, ich komme zu dir. Bin schon unterwegs.«
Ich lege auf.
»Wendy, um elf und um halb zwölf kommen zwei meiner Kunden zur Vertragsunterzeichnung. Kannst du bitte für gekühlten Champagner und saubere Gläser sorgen? Und falls ich es nicht pünktlich zu dem Elf-Uhr-Termin schaffen sollte, kannst du dich dann
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