Der dunkle Herzog
1
Hart MacKenzie.
Es hieß, dass er jede Spielart der Lust kannte, die eine Frau sich wünschte, und dass er genau wusste, wie er sie ihr schenken konnte. Hart fragte nicht, was eine Lady wollte, denn vielleicht wusste sie selbst es nicht einmal, aber sie wusste es ganz gewiss, wenn er die Sache erst zu Ende gebracht hatte. Und sie würde es wieder wollen.
Er hatte Macht und Geld, besaß Intelligenz und Gewandtheit und nutzte geschickt seine Fähigkeit, mit seinem Partner – oder seiner Partnerin – zu spielen. Es gelang ihm stets, dass sie alles taten, was er wollte, und sie glauben zu machen, es sei ihre eigene Entscheidung gewesen.
Eleanor Ramsay wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr das zutraf.
An einem unerwartet milden Februarmorgen stand sie auf der St. James Street eingekeilt inmitten einer Schar von Journalisten, die darauf warteten, dass der berühmte Hart MacKenzie, Duke of Kilmorgan, seinen Club verließ. In ihrem schlichten, seit Langem aus der Mode gekommenen Kleid und mit ihrem alten Hut sah Lady Eleanor Ramsay wie jede andere gewöhnliche Zeitungsschreiberin aus, die ebenso hungrig nach einer Story war wie die übrigen Wartenden. Doch während diese sich danach drängten, eine exklusive Story über den bekannten schottischen Herzog zu bekommen, war Eleanor hier, um sein Leben zu verändern.
Die Journalisten reckten die Hälse, als sie den hochgewachsenen Duke den Club verlassen sahen. Eine schwarze Jacke betonte seine breiten Schultern, und er trug wie stets einen Kilt in den Farben der MacKenzies, um jedermann daran zu erinnern, dass er zuallererst Schotte war und es immer bleiben würde.
»Euer Gnaden!«, riefen die Reporter. »Euer Gnaden!«
Das Meer männlicher Rücken wogte an Eleanor vorbei und versperrte ihr den Weg. Sie bahnte ihn sich, indem sie ohne Rücksicht auf Verluste ihren geschlossenen Regenschirm einsetzte, damit die Meute ihr Platz machte. »Oh, ich bitte um Entschuldigung«, sagte sie, als sie mit ihrer Tournüre einen Mann zur Seite schob, der versucht hatte, ihr seinen Ellbogen in die Rippen zu rammen.
Hart schaute weder nach links noch nach rechts, während er seinen Hut tiefer in die Stirn zog und die drei Schritte von der Tür des Clubs zu seinem wartenden Landauer zurücklegte. Er war ein Meister darin, nicht zur Kenntnis zu nehmen, was er nicht zur Kenntnis nehmen wollte.
»Euer Gnaden!«, rief Eleanor. Wie einen Trichter legte sie die Hände um den Mund. »Hart!«
Er stutzte und wandte sich um. Ihre Blicke begegneten sich, und das Starren aus seinen goldfarbenen Augen durchbohrte sie selbst über die gut zwanzig Schritte Entfernung hinweg, die zwischen ihnen lagen.
Eleanor spürte ihre Knie weich werden. Ihre letzte Begegnung mit Hart lag fast ein Jahr zurück. Er war ihr in ihr Zugabteil gefolgt, hatte seine Hand auf ihren Arm gelegt und sie quasi genötigt, ein Geldgeschenk von ihm anzunehmen. Er hatte Mitleid mit ihr gehabt, was ihr sehr zu schaffen gemacht hatte. Überdies hatte er ihr seine Visitenkarte in den Kragen ihres Kleides gesteckt. Sie erinnerte sich daran, wie heiß seine Finger sich auf ihrer Haut angefühlt hatten, und an das Kratzen der Karte mit seinem Namen darauf auf ihrer Haut.
Hart sagte etwas zu einem seiner wie Preisboxer aussehenden Leibwächter, die neben der Kutsche warteten. Der Mann nickte, wandte sich um und bahnte sich rücksichtslos einen Weg durch die Menge der hektischen Reporter. Vor Eleanor blieb er stehen.
»Hier entlang, Eure Ladyschaft.«
Eleanor packte ihren Schirm fester, während sie dem Mann folgte, und war sich durchaus der wütenden Blicke bewusst, die man ihr zuwarf. Harts Miene verriet keine Regung, während er ihr entgegensah. Einst war es ein berauschendes Gefühl gewesen, der Mittelpunkt dieser ausschließlichen Aufmerksamkeit zu sein.
Als sie den Landauer erreicht hatte, legte Hart die Hand an ihren Ellbogen und half ihr beim Einsteigen.
Eleanor stockte der Atem, als er sie berührte. Sie setzte sich und versuchte, ihr heftig pochendes Herz zu beruhigen, während Hart in die Kutsche stieg und ihr gegenüber Platz nahm, Gott sei Dank nicht neben ihr. Sie wäre niemals fähig gewesen, ihren Vorschlag zu unterbreiten, würde er nah bei ihr sitzen. Die Hitze seines Körpers hätte sie zu sehr abgelenkt.
Der Bedienstete schlug die Tür zu, und Eleanor hielt sich daran fest, als der Landauer mit einem Ruck anfuhr. Die Herren der Presse riefen ihnen laut hinterher und fluchten, weil ihnen ihre Beute entkommen
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