Liebe Lottofee, anbei meine Zahlen für kommende Woche - Die kuriosesten Zuschriften ans Fernsehen
und erschüttert jeden Nachrichtensprecher bis ins Mark, wenn Zuschauer tatsächlich wochenlang die Sendungen der Tagesschau minutiös nach vermeintlichen Aussprache- und Betonungsfehlern durchsuchen und dann brieflich dokumentieren. Aber bei durchschnittlich zehn Millionen Zuschauern pro Sendung muss es wohl auch diese Spezies geben. Halten wir es einfach mit der Farbenlehre: Das Leben ist eben bunt!
⦠seit meiner Rückkehr aus dem Ausland verfolge ich regelmäÃig die allabendliche Tagesschau . Dabei befleiÃigen sich die Sprecherinnen und Sprecher immer wieder einer seltsamen Satzbetonung. Das geschieht so beständig, und zwar bei allen mehr oder weniger, dass dahinter eine geradezu  â möglicherweise von Ihnen auferlegte  â Methode zu vermuten ist.
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(Es folgen ca. 50 Beispiele einer vermeintlich falschen Satzbetonung.)
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Soweit die Beispiele, deren Reihe beliebig fortgesetzt werden könnte, denn in praktisch jeder Sendung gibt es solche Merkwürdigkeiten. Das in der Regel am Satzende stehende Verb, auf das es ankommt, das den Sinn des Satzes trägt, geht in seiner tonlos gesprochenen Art zugunsten des Substantivs fast unter, es ist sozusagen ein Appendix. Man fragt sich, welche Sprachausbildung die Damen und Herren Sprecher erhalten haben. Es mag sein, dass sie aus Zeit- oder anderen Gründen den Text voran zur Kenntnis zu nehmen
und sich mit ihm vertraut zu machen, dass sie also mit ihm in der Sendung zum ersten Mal konfrontiert sind. Aber selbst dann müsste die Professionalität ausreichen zu praktizieren, was man ein vorausschauendes sinnerfassendes Lesen nennen kann.
Mit freundlichen GrüÃen
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P.S. Kopien werde ich richten an:
Die Intendantin des Westdeutschen Rundfunks, Köln
Den Intendanten des Norddeutschen Rundfunks, Hamburg
Die deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt
Das Institut für Deutsche Sprache, Mannheim
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Ich möchte wissen, ob meine Kritik angemessen ist oder ob ich womöglich während meines Auslandsaufenthaltes einschneidende Neuentwicklungen der deutschen Sprache nicht richtig mitbekommen habe.
Meine Antwort:
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Sehr geehrter Herr Dr. â¦,
mir wurde Ihr Schreiben zur Beantwortung zugeleitet.
Zunächst möchte ich feststellen, dass wir bei unserem weiten Informationsangebot gröÃten Wert auf die korrekte Verwendung der deutschen Sprache legen. Aus diesem Grunde unterliegen unsere Sprecherinnen und Sprecher einem ständigen Schulungsprogramm durch ausgebildete Sprecherzieher.
Umso mehr hat mich Ihr Schreiben erstaunt. Die von Ihnen monierten »Fehler« sind vollkommen korrekt ausgesprochen und betont worden. Nach Ihrer Ansicht muss in der deutschen Sprache das Verb am Ende des Satzes hervorgehoben werden, dies ist schlichtweg falsch. Jedes einzelne der von Ihnen bemühten Beispiele ist somit widerlegbar. Dies möchte ich mit Auszügen aus der uns vorliegenden Fachliteratur untermauern:
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Jörg Jesch: Grundlagen der Sprecherziehung. Berlin & New York: Walter de Gruyter 1973; S. 56 ff. Hier beschreibt Jesch das »Sinnfassende Lesen« wie folgt: Gliederung eines Textes in »Sinnschritte«; »Ãberschwere« auf den »Sinnkern« eines »Sinnschritts«, meist verbunden mit Stimmsenkung am Satzende, innerhalb eines Satzes mit Stimmhebung. Jesch nennt es ausdrücklich als Fehler, mit einer »schematischen Endschwere« zu betonen, die dann meist auf dem Verb(glied) liegt (S. 71 f). Im Ãbrigen verweist Jesch in
diesem Kapitel ständig auf das Grundlagenwerk zur Leselehre. Es ist das Buch: Christian Winkler: Lesen als Sprachunterricht. Ratingen 1962.
Des Weiteren sei genannt: Hellmut GeiÃner: Sprecherziehung. Didaktik und Methodik der mündlichen Kommunikation. Königstein/Ts.: Scriptor 1982; S. 175 ff. Im Kapitel »3.2.3 Epische Muster und die Umsetzung der Satzgestalt in Rhythmus« beschreibt GeiÃner eine ähnliche Methodik zur sinnfassenden Gliederung eines Texts für das Lesen. Interessant vor allem ab S. 184 die Notierung zweier Sätze mit »Spannungsbögen«, »Sinnschritten« und Betonungen auf den Nomina, welche den »Sinnkern« tragen. Keine Rede von einer Betonung des Verbs.
Otto Preu / Ursula Stötzer: Sprecherziehung. Berlin: Volk und Wissen 1983; S. 130 ff. Die Autoren bringen ab S. 130 eine kurze, prägnante Zusammenfassung, die ich hier kurz zitiere: »In
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