Liebe, Lust und ein süßes Geheimnis
unfassbare Entschluss ihres Vaters war, der ihr Übelkeit verursachte, oder das neue Leben, das gerade in ihr heranwuchs. So oder so musste sie dieses Gebäude schleunigst verlassen.
Ohne nach rechts und links zu schauen, eilte sie den Flur entlang auf den Empfangsbereich zu. Bis sie plötzlich unsanft mit jemandem zusammenstieß, der wie angewurzelt vor ihr stehen blieb. Sie spürte, wie ihr jemand zwei starke Hände auf die Schultern legte, damit sie nicht ins Stolpern geriet. Als sie aufblickte, schien ihr Herz ein paar Schläge lang auszusetzen.
Warum um Himmels willen musste es ausgerechnet der Besitzer und Geschäftsführer von Addison Industries sein, den sie hier anrempelte?
Daniel Addison war nicht nur der größte Konkurrent der Kincaid Group. Er war auch der Vater ihres ungeborenen Kindes. Des Kindes, von dem er absolut nichts wusste.
„Na, wo brennt’s denn, Liebes?“, fragte Daniel, während er der Frau, die ihn in der letzten Zeit wie Luft behandelte, wieder auf die Beine half.
„Ich brauche … frische Luft“, sage Lily mit zitternder Stimme.
Ihre Blässe und Nervosität unterstrichen ihre blauen Augen so gut, dass ihm bei diesem Anblick das Herz stillzustehen schien. Während der Beerdigung von Reginald Kincaid am gestrigen Nachmittag schien Lily extrem aufgewühlt gewesen zu sein. Irgendwie hatte sie auf Daniel den Eindruck gemacht, dass da noch mehr war als der Schmerz und die Trauer über den Verlust ihres Vaters. Sie hatte gewirkt, als wäre die ganze Welt um sie herum zusammengebrochen.
„Na komm“, sagte er, legte ihr den Arm um die Schulter und führte sie zum Ausgang.
„Meine Familie … Ich kann jetzt nicht gehen“, brachte sie hervor.
Am Empfang teilte er der Mitarbeiterin mit, dass er seinen Termin im Haus verschieben würde. Außerdem bat er sie, den Kincaids auszurichten, dass er Lily nach Hause brachte.
Als er Lily durch die großen Glastüren nach draußen führte, bemerkte er, dass sie würgen musste. Es sah ganz danach aus, als würde sie ihr Frühstück nicht mehr lange bei sich behalten können. Fürsorglich führte er sie zu einer Abfalltonne und hielt ihr die langen roten Haare zurück, während sie sich übergab.
„Am besten, du gehst wieder und lässt mich in Ruhe sterben“, sagte sie kläglich, als sie schließlich wieder den Kopf hob.
„Du wirst nicht sterben, Lily“, erwiderte er, während er mit einer Hand ihr Kinn anhob und ihr mit der anderen mit einem Taschentuch die Tränen vom Gesicht tupfte.
„Das sehe ich anders.“ Sie holte tief Luft. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie hundeelend ich mich fühle …“
„Bist du mit dem Wagen hier?“, fragte er.
„Nein, ich bin mit Momma hergekommen“, sagte sie und klang dabei schon wieder etwas stabiler.
Daniel legte ihr den Arm um die Schultern, zog sie sanft an seine Seite und ging mit ihr über die Straße zum Parkhaus. „Gut, dann brauche ich auch niemanden zu beauftragen, dein Auto zurückzufahren.“
„Ich kann jetzt nicht einfach gehen“, sagte sie und blickte sich zu dem Gebäude von Parsons, Gilbert & Humboldt um.
Aber Daniel hielt sie sicher und fest. „Keine Widerrede, Lily. Du bist komplett durcheinander, und es geht dir nicht gut.“
Er öffnete die Beifahrertür seines cremeweißen Mercedes’ und deutete ihr an, Platz zu nehmen. „Steig ein, ich fahre dich nach Hause.“
„Du bist ganz schön bevormundend“, sagte sie störrisch.
Daniel schüttelte den Kopf. „Nein, ich treffe nur die richtige Entscheidung für dich. Also würdest du jetzt bitte einsteigen? Oder muss ich dich erst über die Schulter werfen und mit Gewalt auf den Sitz zwingen?“
Ihre Augen blitzten vor Ärger. „Das würdest du nicht wagen.“
„Glaub mir Liebes, ich würde.“
Einige Sekunden lang starrten die beiden sich kampflustig an, bis Lily schließlich nachgab und auf den weichen Ledersitz rutschte. „Also gut, bring mich meinetwegen nach Hause. Danach kannst du dann wieder zurückfahren.“
Er schloss die Tür, ging um den Wagen herum und setzte sich hinters Steuer. „Das sehen wir dann noch.“
Aufgewühlt, wie sie war, wollte Daniel ihr nicht weiter zusetzen und verschwieg, dass er gedachte, sie erst wieder allein zu lassen, wenn er sicher sein konnte, dass es ihr gut ging. Man konnte ihm mancherlei vorwerfen –, zum Beispiel gnadenlosen Ehrgeiz und knallharten Geschäftssinn – aber ein gefühlloser und roher Mistkerl, der eine Frau schlecht behandelte, der war er ganz
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