Liebe stand nicht auf dem Plan
Trommelfelle durch – in ihrem höchstpersönlichen, privaten Luxus-Musik-Club.
»Das da, Alder, is mein Laden«, sagt draußen der mit den breiten Schultern und dem kahlen Schädel zu dem, der seinen Fuß auf Keaths Vespasitz gestellt hat und an seinem Turnschuh reibt, um den Wasserfleck wegzu kriegen. Der heißt Sandro und weiß, von welchem Laden sein Kumpel Dennis spricht, auch ohne dessen ausgestrecktem Arm mit Handy am Ende nachzublicken. Zu dritt stehen sie im Hinterhof vorm SOUND CLUB, aus dem sie in baldiger Zukunft ein Lap-Dance-Lokal mit Private-Dance-Bereichen
vom Feinsten machen werden. Eine supergeile Location. Ron, der Lange, wackelt zustimmend im Rhythmus der Beat-Fetzen, die vom Club herwehen, mit dem Kopf. Bald ist das ihr Laden. Das ist sicher.
Drei Hunde neben ihnen schnaufen und sabbern.
03
Keath kämpft mit der Schlange. Gerangel ist im Gange
Die Fans der Polite Punks ziehen dynamische Haufenbildung jedem Schlangestehen vor. Nora quetscht sich durch das Geschiebe und Gedränge im Hinterhof zum Fahrradständer. Keath ist belagert, im Pulk untergegangen. Sie kann ihn nicht fragen, ob er morgen Abend um sechs wie verabredet zum Putzen kommt. Nora spürt ein Kribbeln, Herzklopfen und denkt, wenn er kommt, geh ich in zwanzig Stunden tanzen, nicht putzen. Beim Gedanken an den Schrubbertanz von vorhin lächelt sie, obwohl ihr gerade einer auf die Füße latscht. Einer mit dicker Hornhaut, der nichts spürt. Macht nichts, Nora ist glücklich. Sollten sie künftig wirklich gemeinsam putzen, könnte sie Keath besser kennenlernen. Vielleicht tanzt er auch mal mit ihr? Vielleicht wird er wie Mehmet ein richtig guter Freund? Oder sogar mehr …? Diese Aussichten machen ihren Lieblingsjob auf einen Schlag zur aufregendsten Sache der Welt.
Ja! Klar, doch. Sicher. Auf jeden Fall bin ich da, so hat Maika auf ihr Nachhaken reagiert, und zwar verwundert bis entrüstet, als hätten sie nicht noch NIE, sondern schon IMMER zusammen geputzt. Mehmet ist im Soundrausch, mit ihm hat sie nicht sprechen können. Zum Glück hat mit der Technik alles geklappt. Ist
zu hoffen, dass ihn das von seinem Ast runterholt. Wenn er unter Druck ist, macht es keine Freude, in seiner Nähe zu sein. Nora schluckt den Ärger, dass für sie Schlag zehn Uhr Zapfenstreich ist, hinunter und radelt nach Hause. Die anderen können sich rumtreiben, so lange sie wollen. Ihre Mütter kümmert es nicht, ob und wann ihre Kindlein ins Bett gehen. Einen dauernd anwesenden Vater hat nur Mehmet, und dem ist das auch egal.
Die von Maika beschriebenen Schlägertypen sind nicht mehr unterwegs. Nora lebt lange genug auf dem Kiez, um zu wissen, dass die extrem fies werden können und ihre Drogenhirne oft gar nichts mehr peilen. Es nieselt leicht. Sie kneift die Augen zu. Es kitzelt, als würde ihr jemand mit einem Wasserzerstäuber für Pflanzen ins Gesicht sprühen. Die Straße ist in rosarotes und blaues Neonlicht getaucht, und darüber hinweg tönt der Hafensound. Das ist schön. Die Pornoreklame-Monstertitten und drei Meter langen gespreizten Schenkel auf der Fassade der Peepshow sehen dagegen krank aus, als würde man nicht über die Straße, sondern mitten durch eine Frau fahren.
Zu Hause geht sie ins Arbeitszimmer und fährt den PC hoch. Bis vor einem halben Jahr war das ihr Zimmer, schlauchartig, eng, mit Blick auf die Nachbarwand, aber ihr Zimmer. Jetzt stehen hier rechts und links Regale bis unter die Decke, restlos vollgestopft mit Elvis-Presley-Devotionalien. Yolanda, wie Nora ihre Mutter nennt, weil sie so heißt, betreibt seit Neuestem einen Online-Versandhandel. Sie ist Vorsitzende des Elvis Presley Fan Club Europe und Elvis-Fan in der zweiten Generation. Noras Großmutter, ihre geliebte Babka, war schon vor ihrer Tochter eine glühende Elvis-Verehrerin, und Love Me Tender war und ist wahrscheinlich immer noch der mit Abstand abgenudeltste Hit der Jukebox in ihrer Wirtschaft in Stegna.
Nora heißt aus diesem Grund und dem King zu Ehren mit vollem
Namen Priscilla Maria Nora Lewandowska. Das ist kein Witz. Vor allem Tata, ihrem Vater, nimmt sie übel, dass er das nicht verhindert hat. Grausam ist das, wenn Eltern einen mit seltsamen Namen schon im Kindergarten zum Außenseiter machen. Noras erste Maßnahme in Deutschland war, dass sie auf die Frage nach ihrem Namen stoisch Nora gesagt hat. Priscilla hat sie konsequent unterschlagen. Sie fühlt sich regelrecht verfolgt vom King, der immer noch an der Spitze der Liste der toten
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