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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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EINS
    Ian Hunt hat noch eine knappe Stunde bis Schichtende, als seine tote Tochter anruft. Es ist über sieben Jahren her, dass er ihre Stimme zuletzt gehört hat. Damals war sie ein anderer Mensch – ein siebenjähriges Mädchen mit dicklichen Fingern, einem fehlenden Schneidezahn und grünen Augen, die einem das Herz brechen konnten, wenn sie es darauf anlegte. Deshalb begreift Ian im ersten Moment nicht, dass er tatsächlich mit seiner Tochter spricht.
    Aber es ist seine Tochter.
    Ian sitzt in der Leitstelle des Polizeireviers von Bulls Mouth, Texas, in einem kleinen Gebäude an der Crouch Avenue. Wie gewöhnlich ist er allein im Zimmer, aber würde er sich aufraffen und seinen Kopf durch die Tür in den Empfangsraum stecken, würde er dort mit ziemlicher Sicherheit Chief Davis sehen, wie er auf seinem zurückgekippten Stuhl döst, die Stiefel auf dem Tisch, den Stetson über die Augen gezogen. Im Fenster links von Ian rumort die urzeitliche Klimaanlage, Wasser tropft von den Lamellen auf den verschimmelten Teppichboden, doch die Julihitze lässt sich davon kaum beeindrucken. Ian rinnt der Schweiß über die Schläfen. Er neigt den Kopf, hebt die Schulter und reibt die Feuchtigkeit ins Uniformhemd, bevor er sich wieder der Solitär-Partie auf dem rechnergestützten Einsatzleitsystem widmet. Gott sei Dank weiß niemand, dass er fünfundneunzig Prozent seiner Arbeitszeit mit Patiencen totschlägt. Die Leute würden ausrasten, wenn sie es erführen.
    Aber Bulls Mouth ist nun mal keine besonders große Stadt: inklusive Umland dreitausend Menschen, und das auch nur dann, wenn man die ganzen Endzeitfanatiker, selbst ernannten Propheten, Schlangenbeschwörer, Meth-Köche, Schulabbrecher und Junkies mitzählt. Wahrscheinlich sollte man sie mitzählen. Mit all diesen Leuten muss die Polizei von Bulls Mouth sich schließlich herumschlagen.
    Obwohl Bulls Mouth das prototypische Provinznest ist, handelt es sich bei ihm doch um die zweitgrößte Stadt im gesamten Tonkawa County. Immerhin ein Viertel von dessen Bevölkerung wohnt hier.
    Ian greift zum Kaffeebecher und kippt sich die kalte Brühe die Kehle hinunter. Er schneidet eine Grimasse, nimmt aber trotzdem einen zweiten Schluck. Es hilft nichts, er muss seine drei Kannen Folgers-Kaffee täglich schaffen, und so schüttet er sich einen Becher nach dem anderen hinunter, während er sich durch Hunderte Partien von Solitär klickt.
    Kaum hat er den Becher abgestellt, kommt der Anruf rein, von einem Münztelefon an der Main Street, ein Stückchen nördlich der Flatland Avenue. Wahrscheinlich bloß ein Scherz, denkt er. Warum sonst sollte man im Handyzeitalter noch ein Münztelefon benutzen? Nein, wahrscheinlich wollen nur ein paar angeödete Highschool-Kids ein bisschen auf den Putz hauen, um sich den langweiligen Sommertag zu vertreiben. Ian kann ihnen nicht wirklich böse sein, denn damals in Venice Beach, Kalifornien, als er selbst noch jung war, war er genauso drauf.
    »Polizeinotruf. Was kann ich für Sie tun?«, spricht er ins Headset, die Finger schon über der schwarzen Tastatur, um die notwendigen Informationen einzugeben.
    »Bitte helfen Sie mir!«
    Ein Mädchen oder eine Frau, Ian ist sich nicht sicher. Auf jeden Fall zittert die Stimme vor Panik, und das Mädchen/die Frau ist völlig außer Atem. In der Leitung knackt es, als würde ein heftiger Wind wehen. Sie keucht in den Hörer, tief aus ihrer Kehle dringen hohe Quietschlaute. Wenn das ein Scherz ist, hat er es mit einer verdammt guten Schauspielerin zu tun.
    »Bitte, Ma’am, bewahren Sie Ruhe. Sagen Sie mir einfach, was los ist.«
    »Er ist hinter mir her, er …«
    »Wie heißen Sie, und wer ist hinter Ihnen her?«
    »Ich heiße Sarah. Das heißt, nein. Nein, ich heiße Maggie, Maggie Hunt, und der Mann, der hinter mir … Ich war … Er … Er …«
    Maggie Hunt. Ian spürt seine Lippen nicht mehr. Ein eigenartiges Zittern läuft durch seinen Körper, als wäre in ihm eine Stahlsaite angeschlagen worden. Schwindelgefühl in fis-Moll.
    Er schluckt.
    »Maggie?« Ian atmet durch die Nase ein und durch den Mund aus, ein lang gezogenes, bebendes Seufzen. »Ich bin’s, Maggie. Daddy.«
    Die Beerdigung war im Mai, das ist jetzt zwei Monate her. Eigentlich wollte Ian keine Beerdigung. Was für ein absurdes Ritual, dachte er – eine Vergangenheit zu begraben, die noch so lebendig war. Noch so lebendig ist. Man schaufelt doch niemandem ein Grab, solange sein Herz noch schlägt. Aber Debbie überzeugte ihn

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